„A Single Shot“ von David M. Rosenthal


Die Menschen riechen nach Arbeit, Schweiß und Alkohol. Foto: A Single Shot Productions Inc.

Die Menschen riechen nach Arbeit, Schweiß und Alkohol. Foto: A Single Shot Productions Inc.

Kein Anspruch auf Vergeltung

Isolation ist für den modernen Menschen eigentlich ein Fremdwort. Großstädter kennen zwar das Gefühl von Vereinsamung und Anonymität, aber das lässt sich nicht mit wirklicher Abgeschiedenheit gleichsetzen. Wer abgeschieden leben will, geht in die Natur. Und wer in den Wald geht, legt über die Isolation noch einen zweiten Layer der Klaustrophobie. Im Wald formen sich endlose Baumreihen zur Monotonie, im Wald sieht man nichts und doch wird man aus jedem Winkel angesehen, im Wald gibt es keine Zeugen für Verbrechen, denn die Baumkronen hüllen sich in Nebel und Schweigen.

John Moon (Sam Rockwell) lebt einsam und zurückgezogen in den Wäldern von West Virginia, seitdem er seine Farm verlor und ihn seine Frau Moira verlassen hat. Als er eines Morgens auf die Jagd geht, hat ein einziger Schuss fatale Folgen für sein ohnehin schon tristes Leben, denn die Kugel trifft versehentlich eine junge Frau. Die Tote hinterlässt einen Brief und mehrere tausend Dollar, die John an sich nimmt und versteckt, denn niemand, so glaubt er, hat etwas gesehen. Und doch verbirgt sich irgendwo zwischen den Bäumen ein Augenpaar, das Zeuge dieses tragischen Unfalls geworden ist.

Das Leben in dieser Umgebung aus blau-kalten Naturbildern ist hart. Die Menschen riechen nach Arbeit, Schweiß und Alkohol, ihre Hände sind schmutzig. Die Männer tragen Bärte, die Frauen billiges Makeup. Wenn sie sprechen, kreuzen sich aggressive Inhalte mit verwaschener Slang-Poesie. Waffen sind wichtig, Angst kennt niemand. Sam Rockwell fügt sich in die Romanadaption „A Single Shot“ von David M. Rosenthal wie ein rauer, ungeschliffener Mosaikstein ein. Das Thema des isolierten Einzelgängers ist Rockwell nicht fremd, wenn man an seine Rolle als Mondtechniker in Duncan Jones Regiedebüt zurückdenkt. Dieser Film hieß, genau wie John, „Moon„.

John ist ein Mann ohne jegliches intellektuelles Kalkül. Seine Ziele sind klar und einfach, er will seine Ehe retten und er will das Geld behalten. Als sein Hund von einem Unbekannten erschossen wird, die versteckte Leiche der Frau plötzlich in seinem Bett liegt und die Drohbriefe sich in seinem Trailer häufen, folgt auf das schlechte Gewissen der Psychoterror. Der Zuschauer bleibt bis zum bitteren Ende an der Seite dieser Figur, die faktisch betrachtet Vergeltung für ihre Tat verdient. Aber John hat nichts und weiß nichts, er kennt die Regeln dieses perfiden Spiels und die grausamen Menschen dahinter nicht. Was er kennt, ist die weltschmerzende Kargheit seiner Umgebung, in der er sich spiegelt und die er täglich durch sein Zielfernrohr betrachtet. Und so bewundert und bemitleidet man gleichzeitig diesen Menschen, dessen naive Träume an den Grenzen einer gleichgültigen und erbarmungslosen Ödnis abprallen, in der es nichts zu holen gibt.

Alina Impe

A Single Shot„, Regie: David M. Rosenthal, Darsteller: Sam Rockwell, William H. Macy, auf DVD ab 30. Oktober 2014