„Nach Wriezen“ von Daniel Abma


Marcel ist ein verurteilter Mörder, der in Wriezen einsaß, weil er sein Opfer gemeinsam mit zwei Freunden erst stundenlang folterte und dann mit einem Bordstein-Kick brutal hinrichtete. Er trat seinem Opfer per Fußtritt den Schädel ein. Sein Leben funktioniert jetzt, nach der Entlassung aus der Haft, nach einem einfachen Prinzip: Das alte Leben vor und das neue nach Wriezen. Verdrängung wechselt sich in Marcel ab mit Reue, mit einem Schuldeingeständnis und dem Glauben ans Vergessen und der Hoffnung auf eine intakte Familie. Einen Job. Ein Leben. Jano, mit 17 Jahren der jüngste Protagonist, ist in seiner Heimatstadt eine kleine „Ghetto-Prominenz“, laut, aufmüpfig und immer für eine Straftat zu haben.

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Was verbindet diese drei Charaktere? Ihre Herkunft? Wriezen? Gewalt? Gesetzlosigkeit? Neuanfang? Außenseitertum? Scheitern? Daniel Abma montiert alle diese Punkte, und noch zahlreiche mehr, zu einer sehr empfindsamen Erkundung menschlichen Urteils, was seine Langzeitbeobachtung deutlich von anderen Knast-Dokumentationen abhebt. Als Zuschauer blickt man hier immer auch auf das eigene Selbstverständnis von Normativität, Recht und Moral. „Nach Wriezen“ entzieht sich mit großer Selbstsicherheit gefälligen Deutungshoheiten  – dem Urteil über richtige und falsche Lebensentwürfe – und ist wohl gerade deshalb einer dieser „kleinen“ Filme, die große Wirkung entfalten.

Martin Daßinnies

Nach Wriezen„, Regie: Daniel Abma, DVD-Start: 20. November 2014

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