Around The World in 14 Films: THE SOUVENIR: PART II von Joanna Hogg


Spätestens als Julie ihre Wohnung im Studio als Filmset nachbauen lässt, offenbart sich THE SOUVENIR: PART II als Autofiktion mit doppeltem Boden. Die etablierte Filmemacherin Joanna Hogg hat einen von wahren Ereignissen aus ihrem Leben inspirierten Spielfilm gemacht, in dem eine junge Filmstudentin versucht, genau diese Erlebnisse in ihrem Film aufzuarbeiten. Die großen Fotoleinwände hinter den Fenstern der Studiobauten verdeutlichen, dass Hogg das Set von Julies Apartment in THE SOUVENIR ebenso ihrer eigenen geräumigen Wohnung aus den 1980er Jahren nachempfunden hatte, inklusive der Projektion ihrer damaligen Fotoaufnahmen hinter den Fensterrahmen. Sie hat dabei jedoch keinen Film über das Filmemachen an sich gedreht. Hogg verliert sich nicht in der filmtheoretischen Abstraktion eines Godard (THE IMAGE BOOK) oder der egozentrischen Eitelkeit eines Jodorowsky (THE DANCE OF REALITY), sondern setzt sich auf ehrliche, intelligente und gelegentlich auch amüsante Weise mit einem persönlichen Schicksalsschlag auseinander. Der erste Teil der Geschichte wird dadurch in elliptischer Form abgeschlossen.

Expressionistische Sequenzen wechseln mit naturalistischen Einstellungen und einer Collage aus eingestreuten Bildern, Film- und Videoschnipseln, welche die Regisseurin in verschiedenen Situationen in ihrem Leben aufgenommen hat. „Did you avoid the temptation to be obvious?“ wird Julie von ihrem Studienkollegen Patrick gefragt, nachdem sie ihren Abschlussfilm mit dem Titel THE SOUVENIR fertiggestellt hat. Das ist Hogg mit ihrem ambitionierten Filmprojekt sicher nicht gelungen. Mit THE SOUVENIR: PART II hat sie jedoch ein hervorragend konzipiertes selbstreflexives Werk mit wunderbarer Bildgestaltung geschaffen, das auch nach dem Abspann noch im Kopf bleiben wird. Und genau das ist ein Zeichen von großem Kino, dem auch ihr fiktives Alter Ego Julie in ihrem Filmschaffen nacheifert.

Henning Koch

THE SOUVENIR: PART II, Regie: Joanna Hogg, Darsteller*innen: Honor Swinton Byrne, Tilda Swinton, Richard Ayoade, James Spencer Ashworth

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