Berlinale Filmkritik: „Butter on the Latch“ von Josephine Decker


Josephine Deckers Debüt in knapper Spielfilmlänge pendelt zwischen Mumblecore und Experimentalfilm. Foto: Berlinale

Josephine Deckers Debüt in knapper Spielfilmlänge pendelt zwischen Mumblecore und Experimentalfilm. Foto: Berlinale

Auf die kahle, unverputzte Wand sprenkelt die Sonne ein paar vereinzelte Lichtpunkte. Der Raum ist staubig und schmutzig, aber abgesehen von Müll und ein paar herumliegenden Flaschen absolut leer. Sarah erwacht, blinzelt nervös, scannt ihre Umgebung. Ein glatzköpfiger Typ kniet hinter ihr und beugt sich über ihren nackten Rücken. Ein anderer steht im Schatten und schweigt. Panik steigt in ihr auf. Wo bin ich? Wie kam ich hierher? Und wo sind meine Sachen? Sarah irrt umher, findet ihre Habseligkeiten und wird schließlich von einem knarzenden Garagentor wieder in die Freiheit entlassen. Draußen wartet das sonnendurchflutete New York, das gewohnt spöttisch die verlorenen Seelen der vergangenen Nacht empfängt und die letzten Nebelschwaden von Alkohol und Drogen gutgelaunt vertreibt.

Butter on the Latch„, Josephine Deckers Debüt in knapper Spielfilmlänge, pendelt scheinbar gewollt zwischen Mumblecore und Experimentalfilm. Das Psychogramm der etwa zwanzigjährigen Sarah ist in seinen Abläufen gerade noch stringent genug, um folgen zu können – die sie begleitende Kamera aber so unstet, wackelig und permanente Unschärfe provozierend, dass deutlich wird: Dies ist kein neutraler Blick, sondern die Absorption einer zerrütteten Perspektive. Denn im Groben erzählt der Film davon, dass Verirren überall möglich ist.

Ein kurzer Anruf, dann die Flucht aus New York. Sarah trifft sich mit ihrer Freundin Isolde bei einem Hippie-Festival in den kalifornischen Wäldern von Mendocino. Tagsüber wird getrommelt, gesungen und gehäkelt, nachts wird gekifft, getrunken und getanzt. In der Dunkelheit des Waldes weisen Stirnbandlampen den beiden betrunkenen Mädchen den Weg zurück in ihre Hütte. Einmal jedoch nicht. Immer wieder bricht sich das konzentrierte Licht an knackendem Geäst, während der beobachtende Blick der Kamera scheinbar genauso ratlos ist wie seine ins Visier genommenen, umherirrenden Figuren. Schließlich verlieren sie sich. Das Morgengrauen stellt Wege, Bäume und Sträucher zwar wieder an ihren gewohnten Platz, doch das Band zwischen Sarah und Isolde, zwischen Traum und Wirklichkeit, ist zerschnitten.

1 2