„Das Mädchen Hirut“ (OT: „Difret“) von Zeresenay Berhane Mehari


Meron Getnet spielt in "Difret" die Anwältin Meaza Ashenafi. Der äthiopische Film sicherte sich den Publikumspreis im Panorama der 64. Berlinale. (c) Berlinale

Meron Getnet spielt in „Difret“ die Anwältin Meaza Ashenafi. Der äthiopische Film sicherte sich den Publikumspreis im Panorama der 64. Berlinale. (c) Berlinale

Anwältin Meaza Ashefani und ihre Organisation, die Frauen und Kindern rechtlichen Beistand gewährt, bekommen Wind von dem tragischen Fall. Sie setzt umgehend alle verfügbaren Hebel in Bewegung und trotz vieler Widerstände kann die ehemalige Richterin mit Hilfe von Kontakten und der Presse ausreichend Druck aufbauen, um Hirut gegen Kaution frei zu setzen. Nachdem sie das verletzte Mädchen kurzzeitig sogar in den eigenen vier Wänden aufnimmt, bringt sie sie bald in einem Waisenheim unter, wo das Mädchen Freundinnen findet. Ein Moment des Durchatmens und der Hoffnung auf Normalität.

Frei ist Hirut aber deshalb noch lange nicht. Auf die beiden Frauen wartet ein steiniger Weg durch eine patriarchalisch geprägte Gesellschaft, die von Gleichberechtigung noch gefühlte Lichtjahre entfernt scheint. Es beginnt ein Kampf gegen ein verkrustet Rechtssystem für ein Mädchen, das instinktiv gegen das an ihr verübte Unrecht aufbegehrte.

Eine große Leistung von Regisseur Zeresenay Berhane Mehari und seinem Drama „Difret“ besteht darin, dass er das himmelschreiende Unrecht zwar anklagt, aber es eben auch in die gar nicht so lange zurückliegende Zeit einordnet und in der rückständigen Landbevölkerung verortet. Während die gebildete Anwältin Meaza gegen die Mühlen der Justiz anrennt, tagt im Schatten eines großen Baumes der Dorfrat – in dem nur Männer sitzen. Dort ist es an den Ältesten, die Parteien zu hören und abseits der offiziellen Gerichte, Recht zu bestimmen. Während Freunde und Familie den Tod des Kindes fordern, stellt sich der Vater der Mehrheit entgegen. Eine bewegene Schlüsselszene. Der schockierte Betrachter beginnt den geltenden Wertekanon zu verstehen, während er mit denen fiebert, die ihn nicht akzeptieren.

Auszeichnungen wie die Publikumspreise in Sundance und später in Berlin (im Berlinale Panorama) verhelfen dem Drama, das auf realen Begebenheiten beruht, auf seinen Weg. Er steht für modernes, sozialkritisches Kino, das seine Besucher zwingt hinzuschauen und eine fremde Welt, die oft schwer zu verstehen ist, kennen zu lernen. Angelina Jolie, die für ihr soziales Engagement bekannt ist, produzierte das beeindruckende Debütwerk von Regisseur Zeresenay Berhane Mehari, dem kleinere formale Schwächen, wie die ein oder andere holprige Kamerafahrt, zuzugestehen sind. Zu dringend müssen Geschichten wie diese in die Welt getragen werden. Die westliche Welt muss Hinsehen, um zu verstehen.

Denis Demmerle

Das Mädchen Hirut“ (OT: „Difret„, Regisseur: Zeresenay Berhane Mehari, Darsteller: Meron Getnet, Tizita Hagere, Rahel Teshome, Kinostart: 12. März 2015, auf DVD ab 17. Juli 2015

1 2