Berlinale-Filmkritik: „Lovelace“ von Rob Epstein und Jeffrey Friedman


Peter Sarsgaard und Amanda Seyfried in "Lovelace", der sich dem Pornoklassiker "Deep Throat" annimmt. Foto © Dale Robinette.

Peter Sarsgaard und Amanda Seyfried in "Lovelace". Foto: Dale Robinette.

Lovelace – Deep Throat ist Geschichte

Die hübsche Linda findet einfach keine sexuelle Befriedigung. Zum Glück wendet sie sich mit ihrem Problem an einen Mediziner mit Entdeckergeist. Dr. Young stellt nach eingehender Untersuchung fest: Lindas Klitoris befindet sich in ihrem Hals. Da reicht klassisch vaginaler Verkehr eben nicht zum Orgasmus. Nun muss nur noch herausgefunden werden, ob die einen guten Meter höher angesetzte Stimulation zum gewünschten Ergebnis führt. Natürlich stellt sich der hilfsbereite Doktor für dieses Experiment höchstpersönlich zur Verfügung.

Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. „Deep Throat“ avancierte zum Pornoklassiker der Siebziger Jahre, Hauptdarstellerin Linda Lovelace zum ersten großen Star der Branche. Mit „Lovelace“ liefern die Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman nun die überfällige cineastische Hintergrundgeschichte zum schlüpfrigen Kassenschlager. Während Linda Lovelace von Amanda Seyfried verkörpert wird, mimt Peter Saarsgard ihren Ehemann Chuck Traynor. Hinzu kommen Sharon Stone als Lindas Mutter und James Franco, der die Rolle des damals noch taufrischen Hugh Hefner übernehmen durfte.

Ein ansprechendes Schauspieler-Line-Up gepaart mit Sex: Über die Zuschauerzahlen müssen sich die „Lovelace„-Macher jenseits der Berlinale keine Sorgen machen. Doch beim Film ist es eben wie mit Dr. Youngs eng anliegendem Schlaghosen: Der Inhalt muss stimmen. Und im Gegensatz zum Schritt unseres Mediziners, bietet „Lovelace“ inhaltlich leider nur gutes Mittelmaß. Dabei wirkt die Herangehensweise des Regie-Duos anfänglich äußerst clever. Zuallererst wird der Zuschauer in Sicherheit gewogen. Die Geschichte von „Deep Throat“ scheint lässig, humorvoll und beschwingt von den legendären Seventies. Erst in den folgenden Rückblicken wird deutlich, dass die Karriere der Linda Lovelace eigentlich von Gewalt und Missbrauch durch ihren Ehemann Chuck Traynor geprägt war. Dabei hält sich der Film eng an die Details, die Linda Lovelace (nun unter ihrem echten Namen Linda Boreman) nach ihrem Ausstieg aus dem Pornobusiness im Enthüllungsbuch „Ordeal“ festgehalten hat.

Und doch sind beide Teile nur solide geraten. Das humoristische Potential, das der 70er Jahre Pornoszene unzweifelhaft innewohnt, nutzt „Lovelace“ nur phasenweise. Dem realen Drama, das sich hinter den Vorhängen abspielt, mangelt es an Intensität. Ein wirklich verstimmtes Magengefühl, echtes Mitleid oder ein Schamgefühl des Zuschauers darüber, Chuck Traynor irgendwie gemocht zu haben, bleibt weitgehend aus. So fällt „Lovelace“ letztendlich der Ironie des Schicksals zum Opfer, denn das Fazit zum Biopic gleicht dem vieler Produkte aus der Pornobranche („Deep Throat“ ausgenommen): handwerklich gelungen, aber schnell wieder vergessen.

Peter Corell

Berlinale-Termine: Sa 09.02. 18:00 Uhr Friedrichstadt-Palast, So 10.02. 10:00 CinemaxX 7, Mo 11.02. 17:00 Cubix 9, Fr 15.02. 18:00 Friedrichstadt-Palast

http://www.youtube.com/watch?v=d_omBr_CUPY