Berlinale-Filmkritik: „Samson & Delilah“ von Warwick Thornton


Zwei Außenseiter

Samson und Delilah wachsen nebeneinander in einem entlegenen Reservat für Aborigines auf. Samson (Rowan McNamara) lebt hier gemeinsam mit seinen Brüdern in den Tag hinein, schnüffelt Klebstoff und Benzin, um gut drauf zu kommen, greift dann schon mal euphorisch zur E-Gitarre, und rollt ansonsten stupide in einem alten Rollstuhl durch die Einöde, kritzelt an Wände, wirft mit Steinen. Delilah (Marissa Gibson) lebt mit ihrer Großmutter (Mitjili Napanangka Gibson) zusammen, morgens gibt sie ihr ihre Medikamente, tagsüber malen beide gemeinsam. In ihrem tristen Alltag laufen sich die beiden Jugendlichen ständig über den Weg, wechseln kein Wort, beginnen aber Gesten und Blicke zu tauschen, die Vertrauen entstehen lassen. Schließlich zieht Samson mit seiner Schaumstoffmatratze auf dem Grundstück von Delilah und ihrer Oma, die das mit belustigtem Kichern kommentiert, ein. Als Delilahs Großmutter stirbt, ändert sich das Leben der Teenager. Die Dorffrauen geben dem jungen Mädchen die Schuld am Tod der Oma, prügeln auf sie ein, und auch Samson legt sie auf übelste Weise mit seinen Brüdern an. Zusammen stehlen die beiden das Gemeinschaftsauto des Dorfes und fliehen Hals über Kopf in die nächste Großstadt, nach Alice Springs.

Ein zarter Hoffnungsschimmer umgibt das junge Paar – vielleicht wird ihr Leben jetzt besser, glücklicher? Die Hoffnung wird schnell zerschlagen, Samson und Delilah sind Außenseiter, es ist kein Platz in dem modernen Getümmel der Großstadt, sie werden herum geschubst. Der einzige, der ihnen nichts Böses will, ist der Obdachlose Gonzo (Scott Thornton, Warwick Thorntons Bruder), der seinen Schlafplatz unter einer Autobahnbrücke und sein spärliches Essen mit ihnen teilt. Die Situation schweißt Samson und Delilah immer enger zusammen, aber die Aussichtslosigkeit, der Hunger und Samsons Benzinsucht führen zu fürchterlichen Ereignissen, unter denen die beiden fast umkommen.

Die rührende Liebesgeschichte, die sich zwischen den beiden Jugendlichen entwickelt, ohne dass sie ein Wort miteinander wechseln, ist das eigentliche Highlight dieses Filmes, dessen starke, atmosphärische Dichte den Zuschauer in den Kinosessel drückt. Die genaue Beobachtung ihrer Gesten und Mimik macht es möglich, hautnah mit ihnen mitzufühlen. Man leidet so sehr mit Samson und Delilah mit, dass es schon weh tut. Und hofft und hofft und hofft, dass sie ihr Glück finden, irgendwie. Das Regiedebüt des australischen Filmemachers Warwick Thornton, bei dem vor und hinter der Kamera ausschließlich Aborigines arbeiteten, wurde in Cannes 2009 mit der Goldenen Kamera für das beste Drehbuch ausgezeichnet und in Australien mit Preisen überhäuft. Völlig zu Recht.

Verena Manhart

Berlinale Termine, mit Vorfilm „Nana“ von Warwick Thornton: 10.2.2013, 12.00 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, 11.2.2013, 20.15 Uhr, Haus der Kulturen der Welt