Berlinale-Filmkritik: „State 194“ von Dan Setton


 "State 194" von Dan Setton bei Panorama Dokumente. Foto: Berlinale.

"State 194" von Dan Setton bei Panorama Dokumente. Foto: Berlinale.

Die unendliche Geschichte

Der Israel-Palästina Konflikt war Gegenstand unzähliger Dokumentationen. Selten hat dabei ein Filmemacher Zugang zu höheren Regierungskreisen erhalten. Filmemacher Dan Setton gelang es. Es geht um das Streben der Palästinenser nach einem eigenen Staat, dem 194. Staat der von den Vereinten Nationen als unabhängiger Staat akzeptiert wird.

Es wird sehr schnell sehr deutlich, dass beide Seiten eigentlich recht genaue Vorstellungen davon haben, wie ein Frieden mal aussehen soll. Die Durchsetzung gestaltet sich selbstredend komplizierter. Nach Setton sind besonders die israelische Linke und die israelischen Liberalen davon überzeugt, dass es einen dauerhaften Frieden nur dann geben kann, wenn die Palästinenser einen eigenen, von der UN anerkannten Staat haben. Die israelischen Konservativen sind, wie es sich für eine politische Dichotomie nun einmal gehört, vom exakten Gegenteil überzeugt. Sie pochen auf ihre jetzigen Grenzen. Sie bestehen auf dem Recht der Siedlung. So setzt Dan Setton auf israelischer Seite den Konflikt zwischen den Interessengruppen „JStreet“ und „Aipac“ in Szene.

Bei den Palästinensern geht es um inneren Frieden. Schließlich ist Palästina der erste Staat, der schon vor seiner Gründung von dem Prozess der Zersetzung und Verwesung betroffen ist. Staatsbildung und Entstaatlichung fallen hier unmittelbar zusammen, ein historisches Paradoxon. Noch bevor sich ein übergreifender Staatsapparat mit eigener Legitimation und Geschichte herausbilden konnte, treten Clans, Warlords und Mafiastrukturen an dessen Stelle. Gleichzeitig steht der palästinensische säkulare Staat schon vor seiner Gründung vor der Herausforderung den Islamismus abzuwehren. Als Überrest der laizistischen Modernisierungsimpulse stehen Personen wie Salam Fayaad scheinbar auf verlorenem Posten. Was übrig bleibt, ist die blanke Irrationalität des blinden Hasses ohne jede gesellschaftspolitische Perspektive. Indem die Palästinenser sich in den abstrakten Universalismus des Religionskrieges flüchten und indem sie ihre Kinder auf „Selbstmordakademien“ schicken, geben sie faktisch zu, dass sie keine Hoffnung auf Zukunft mehr haben. Jemand wie Salam Fayaad ruft seine Landsleute bei jeder Möglichkeit zur Ordnung, aber er und sein Kreis müssen eine unglaubliche Geduld aufbringen, denn die eigene Jugend setzt sich vehement dafür ein, dass die säkularere Fatah mit den Irren der Hamas zusammenarbeitet. Diese Jugend möchte die Siedlungspolitik Israels nicht länger akzeptieren. Bei diesen Siedlern handelt es sich nicht selten um Ultra-Orthodoxe und selbstverständlich blieb es nicht aus, dass die reaktionäre religionspolitische Mobilisierung im Zusammenwachsen von ultra-orthodoxen Fanatikern und religiösen Ultranationalisten sich auch mit der ethnopolitischen „Orientalisierung“ zu verbinden begann: der Ruf nach einer „One State Solution“. So besucht in einer Sequenz die Außenministerin Israels, Tzipi Livni, eine solche Siedlung. Sie versucht einen Mittelweg zu finden, da auch sie an einer Zweistaatenlösung interessiert war. Nach einer Weile wird aber klar, dass die Fronten hier sehr hart bleiben werden. Einer der Siedler sagt Livni direkt: „Ich bin für eine Ein-Staaten-Lösung.“ Von der Armee auf Geheiß der Likud-Regierung mit Waffen versorgt, bildeten die Siedler eigene private Milizen, die sich bald gegenüber der Likud-Administration zu verselbständigen begann. So ist auch Israel in erster Linie durch innere Gegensätze bedroht.

Mit „State 194“ hat Dan Setton einen interessanten Beitrag zum Nahost-Konflikt abgeliefert und er zeigt, dass sowohl Palästinenser als auch Israelis die Hoffnung für Frieden nicht aufgegeben haben. Leider zeigt er auch, dass beiden Seiten nur wenig mehr als Hoffnung bleibt.

Joris J.

Fr 15.02. 20:00 CineStar 7 (E)