„Blood of my Blood“ von João Canijo


"Blood Of My Blood": Familienbande und gesunde oder ungesunde Allianzen, Foto: Around The World in 14 Films

"Blood of my Blood": Familienbande und gesunde oder ungesunde Allianzen, Foto: Around The World in 14 Films

Blut ist das Bindemittel

Schlechte zum Teil unasphaltierte Straßen, Graffiti besprühte Mauern, frei stehende heruntergewirtschaftete Häuser, die sich mit garagenartigen Bauten abwechseln. Am Horizont ungemütliche und hastig errichtete Wohnblocksiedlungen. Ein Bilderbuch-Vorort, Heim für die an den Rand Gedrängten. Stille sucht man hier vergebens. Ein schroffer Ton dominiert. Handgreiflichkeiten gehören zum Alltag. Die Gespräche sind kümmerlich oder werden schnell laut. Kaum einer hört wirklich zu. Jeder fällt jedem ins Wort und von den Nachbarn dröhnt Tag wie Nacht dumpf das Gezänk durch die Mauern. Gemütlich ist anders.

Nur wenige hoffen in diesem sozialen Brennpunkt unweit Lissabons noch auf den gesellschaftlichen Aufstieg. Die meisten arrangieren sich mit den Lebensumständen und dem engen Wohnraum, den man sich nicht selten bis hin zum Bett mit der Familie teilt. So auch Marcia, ihre Kinder Joca und Claudia und ihre Schwester Ivete. Eine Mutter, die zusehen muss, wie ihre Kinder sich den Weg verbauen, muss irgendwann eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Blut ist das Bindemittel dieses gesellschaftlichen Mikrokosmos. Verbündete stehen für den Anderen ein und überschreiten dabei Grenzen.

Blood of my Blood“ ist ein Sozialdrama um Familienbande und gesunde oder ungesunde Allianzen. Die Konflikte im Film setzt Drehbuchautor und Regisseur João Canijos konsequent nebeneinander. Dialoge überlagern sich und stellen Figuren und Geschichten nebeneinander. Alles im Film bekommt zwei Gesichter und damit ein Gegenüber. Gleichzeitig verdichten sich die überlappenden individuellen Welten zu einem Ganzen. In seiner Ausarbeitung erinnert Canijos inszenierter Realismus an die sozialkritischen Werke des frühen Viscontis oder Rossellinis. Der ungeschliffene Umgang bei Tisch, eine Sequenz gleich zu Beginn des Filmes, steht beispielhaft für derartige Vergleiche. Aus dieser präzisen Beobachtung von Momentaufnahmen eines prekären Alltags und den herausragend authentischen und charismatischen Schauspielern zieht der Film seinen Sog und seine Kraft.

SuT