„Das Mädchen aus dem Norden“ von Amanda Kernell
Lene Cecilia Sparrok verkörpert diese Elle Marja, die immer mit den Dingen um sie herum haptisch und sinnlich verbunden scheint. Die an dem Kleid der Lehrerin riecht, deren Namen sie klauen wird, die den nackten Körper von Niklas betastet. Sie spielt ihre Zerrissenheit, ihre Verletzung und ihren Selbsthass fulminant. Dank ihrer Präsenz verzeiht man der sentimentalen Rahmenhandlung, in der die alte, einsame Elle Marja (Maj-Doris Rimpi) zur Beerdigung ihrer Schwester fährt, einige Logikfehler und die stereotypischen Schweden, die zum Großteil völlig nuancenfrei dumm und böse in die Gegend schauen. Der Zuschauer verzeiht dem Film sogar, dass er das Leben und die Wünsche der jungen Elle Marja, mit der man die ganze Zeit mitfiebert, am Ende absolut in Frage stellt. Am stärksten ist „Das Mädchen aus dem Norden“ genau dort, wo Elle Marja ihren Weg allen Widrigkeiten zum Trotz sucht. Dort, wo Identität eben nicht als gelungener Balanceakt zwischen Kulturen einerseits und der Rückkehr zum familiären Stamm andererseits inszeniert wird, sondern als schmerzhafte Wunde, die man sich selbst beifügt, nicht die anderen mit dem Jagdmesser.
Marie Ketzscher
„Das Mädchen aus dem Norden„, Regie: Amanda Kernell, DarstellerInnen: Lene Cecilia Sparrok, Hanna Alström; Kinostart: 5. April 2018