„Der große Gatsby“ von Baz Luhrmann


Szene aus "Der große Gatsby": Jay Gatsby (Leonardo DiCaprio) und Daisy Buchanan (Carey Mulligan). © 2013 BAZMARK FILM III PTY / WARNER BROS. PICTURES

"Der große Gatsby": Jay Gatsby (Leonardo DiCaprio) und Daisy Buchanan (Carey Mulligan). Foto: 2013 BAZMARK FILM III PTY / WARNER BROS. PICTURES

Viel Lärm um fast nichts

Baz Luhrmanns „The Great Gatsby“ eröffnete gestern Abend die Filmfestspiele in Cannes. Der Film gerät zum großen Ausstattungsfest – die Geschichte eines gescheiterten American Dreams fällt dabei hinten über.

Als der Schriftsteller und Society-Liebling Truman Capote im Juni 1966 seinen legendären Black and White Ball im New Yorker Plaza Hotel ausrichtete, bemerkte der vom ihm erklärte Ehrengast Katharine Graham: „Ich hatte das Gefühl, Truman würde den Ball sowieso veranstalten und ich war nur ein Teil seiner Ausstattung.“ Die Herausgeberin der Washington Post wurde dennoch als Star des aufwendigen Kostümballs gefeiert, der als Höhepunkt der gesellschaftlichen Großereignisse in die New Yorker Geschichte einging. Ähnlich dürfte es der Romanfigur Daisy Buchanan in F. Scott Fitzgeralds „The Great Gatsby“ (1925) gegangen sein, als sie zusammen mit ihrem Geliebten Jay Gatsby und ihrem Ehemann Tom Buchanan irgendwann Anfang der „roaring twenties“ in einer Suite des Plazas steht und um Ruhe bittet. Die von Gatsby erbetene Aussprache zwischen den Eheleuten hatte nicht wie erhofft dazu geführt, dass Daisy ihren Mann verlässt. Das Treffen artet in einen Hahnenkampf zwischen den beiden Widersachern aus, bei dem Daisy sich am Ende nur noch als Staffage fühlen kann. Daisy entscheidet sich gegen Gatsby, der am Ende des Romans erschossen in seinem Pool liegt – der gehörnte Ehemann Buchanan hetzte den verzweifelten Underdog Georg Wilson gegen ihn auf: Angeblich soll Gatsby dessen Ehefrau überfahren haben. Die Liebesgeschichte von Gatsby und Daisy scheitert, bevor sie jemals richtig begonnen hat: Denn eigentlich war die Frau des Ex-Footballspielers und Millionärs Tom Buchanan von Anfang an nur eine Projektionsfläche für den armen Jungen aus North Dakota, der später als sympathischer Hochstapler in Daisy die Erfüllung all seiner Träume sieht. Die Perfektion eines Lebens, das durch Reichtum, soziale Anerkennung und einer hinreißenden Ehefrau definiert wird.

Eine reizvolle Projektionsfläche, das muss der Roman auch für Regisseur Baz Luhrmann gewesen sein, als er in die Fußstapfen der erfolgreichen und fünften Verfilmung des Romans mit Robert Redford und Mia Farrow (1974) stieg. Er besetzte Leonardo DiCaprio für die Rolle des J.Gatsby, Carey Mulligan verkörpert die zarte und irgendwie willenlose Daisy, den Freund und Nachbarn Nick Carraway gibt ein stets staunender und traurig dreinblickender Tobey Maguire. Luhrmann lässt ihn in einem Sanatorium als den Ich-Erzähler auftreten, der den Roman als Mittel zur Heilung schreibt – ab und an flirren Textzeilen aus dem Roman über die Leinwand. Mit dem ihm eigenen Eklektizismus nimmt Luhrmann die Vorlage des Romans und zieht alles heraus, was an Dekadenz und Überfluss zu holen ist, besonders die viel gerühmten Partyszenen, die in ihrer literarischen Vorlage als best-beschriebene Feier der Weltliteratur gelten, müssen den Regisseur von „Romeo und Julia“ (1996) und „Moulin Rouge“ (2001) gereizt haben, ist er doch bekannt für seine knallbunten Neuinterpretationen von traditionellen Stoffen, die stets offensiv mit Zitaten aus der Popkultur flirten.

So ist denn auch diesmal der Soundtrack mit Ikonen von Lana del Ray bis Bryan Ferry bestückt und ja, die Partyszenen sind bombastisch. Kostüme, Choreographie und der orgiastische Unterton der Inszenierung erinnern an die Bilder des Künstlerpaares Pierre et Gille, gerne würde man einen Screenshot von einigen Einstellungen machen, um die Szene mit hunderten von Komparsen im strömenden Konfetti-Platzregen und der übergroßen Champagnerflaschen zur Gänze auszukosten. Aber dazu kommt es nicht. Luhrmann hat es nämlich eilig, er möchte den Zuschauer ertränken in seinen Ideen für die Umsetzung einer Geschichte, die sowieso jeder kennt und die es ihm – abgesehen von dem Einfall Carraway als Alter Ego des Trinkers Fitzgeralds zu besetzen – nicht Wert ist, noch einmal neu erzählt zu werden. Die schwindelerregende 3D-Optik trägt ihren Teil dazu bei, dass alles ein wenig zu schnell, zu hastig geht – selbst für Fans von rasanten Schnitten.

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