„Der Wert des Menschen“ von Stéphane Brizé



Die Relevanz des Films und seiner aktuellen Thematik sind am Ende jedoch nicht das, was den Zuschauer an „Der Wert des Menschen“ bindet. Entscheidend für die Wirkung ist in erster Linie Thierry. Oder viel mehr Vincent Lindon, dem es gelingt, mit bloßer Mimik und ohne große Worte sowohl die Sehnsüchte und Ängste eines verantwortungsvollen Familienvaters als auch den Wunsch eines Mannes, die eigene Prinzipien zu wahren, sichtbar zu machen. Völlig zu recht wurde Vincent Lindons darstellerische Leistung 2015 in Cannes mit dem Preis für den besten männlichen Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Viele Situationen aus Bewerbungsgesprächen und Arbeitsalltag erwecken den Eindruck direkt und unverändert aus der Realität entnommen zu sein. Eine gefühlte Authentizität die durch das Mitwirken einer Vielzahl von Laien in den Nebenrollen nur noch verstärkt wird, den Spannungsaufbau aber immer wieder hemmt. Der Film erlaubt sich keine Übertreibungen, will abbilden und veranschaulichen und ist dabei trotz seiner klaren moralischen Botschaft, kein zu moralischer Film. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Thierry zu keinem Zeitpunkt in die Rolle des Helden gedrängt wird. Thierry ist passiv, introvertiert und seinen Prinzipien weniger treu als seinem Wunsch nach einem regelmäßigen Gehalt. Ein Porträt eines durchschnittlichen Mannes in einer sehr spezifischen psychologischen Ausnahmesituation. Allem voran ein gelungenes Abbild unserer westlichen, von Markt und Kapitalismus bestimmten Welt.

Emily Grunert

Der Wert des Menschen„, Regie: Stéphane Brizé, DarstellerInnen: Vincent Lindon, Karine de Mirbeck, Matthieu Schaller, Kinostart: 17. März 2016

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