„Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“ von Florian Mischa Böder
Ein Profikiller in der Warteschleife
Ein Mann, ein Auto, ein beinahe leerer Parkplatz. Koralnik schaut aus dem Fenster, isst einen Cheeseburger. Er ist Auftragskiller für ein EU-Geheimprogramm und wartet einsatzbereit auf seinen nächsten Auftrag.
Das Problem besteht allerdings darin, dass Koralnik das schon länger tut. Ursprünglich wurde er gemeinsam mit einer Auslese anderer Männer trainiert, um zu killen und die EU vor dem Terror zu schützen. „Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“ dauert bei Koralnik besonders lang. Ganze acht Jahre liegen seit seiner Ausbildung zurück, ganze acht Jahre verharrt er als Wartender.
In seinem Leben passiert so wenig, dass Koralnik sogar sich selbst auf den Anrufbeantworter spricht oder seinen Nachbarn nach den erlernten Ausbildungsstandards observiert. Vor lauter Nichtstun vermutet der Auftragskiller überall die Gelegenheit, sein Wissen aus der Killerausbildung endlich anwenden zu können.
Auch wenn Koralnik seine Fähigkeiten noch nie unter Beweis stellen konnte, befolgt er strikt die Regeln, denen er als Berufskiller zugestimmt hat und die verhindern sollen, dass seine Tarnung auffliegt: kein Alkohol, keine engen sozialen Kontakte. So lautet sein Mantra ‚Konzentration, Kontrolle, Präzision‘ – auch ohne einen Einsatz zu haben.
Weiterlesen: „Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“ feierte seine Premiere beim 67. Filmfestival von Locarno. Hier unser Festivalbericht „Filmkunst bei Gelato und Aperol Spritz„.
Als Koralnik wieder einmal in seinem Auto auf dem Parkplatz steht und auf einen Auftrag wartet, schrammt ihn ein anderes Auto. Am Steuer: eine aufgewühlte Blondine, die den Crash unbedingt bei einem Treffen bei ihm zu Hause auswerten möchte. Rosa ist Kleinkriminelle und mit ihr gerät Koralniks Leben auf einmal in Bewegung. Als sie ihn in seiner Wohnung besucht, wird deutlich, wie sehr die sozialen Fähigkeiten des Auftragskillers mittlerweile eingeschlafen sind. Überhaupt möchte Koralnik Rosa am liebsten sofort wieder loswerden. Doch Rosa hat andere Pläne und bleibt hartnäckig. Mittels eines Hilfsprojekts als Vorwand will sie ihrer neuen Bekanntschaft tausende von Euros aus den Rippen leiern. Mit diesem Ziel vor Augen schreckt sie vor keinem Mittel zurück. Der ohnehin schon verworrene Abend wird gekrönt, als das Ungeahnte geschieht: Koralniks Handy klingelt und übermittelt ihm einen Auftrag – den ersten überhaupt.
Sofort will der Auftragskiller loslegen, auch wenn die unverhoffte Situation gewaltig Verwirrung stiftet. Mit Rosa im Schlepptau macht er sich auf den Weg. Beide spielen einander eine falsche Identität vor und versuchen mehr schlecht als recht, die Tarnung voreinander aufrecht zu erhalten. Gemeinsam schlittert das ungleiche Paar von einer Katastrophe in die nächste, sodass von einem Undercover-Einsatz schon bald keine Rede mehr sein kann. Weder Rosa noch Koralnik wissen wirklich, was zu tun ist und begeben sich so auf eine chaotische Odyssee.
Nachdem er einen Zeh verloren, ein Auto geklaut, eine Hochzeitsgesellschaft aufgemischt, sich enttarnt und eine Nacht im Knast verbracht hat, setzt Koralnik seinen Weg lädiert fort. Dabei bleibt die Frage nach der Zielperson bis zum Ende offen und könnte kaum absurder beantwortet werden.
Hier einige Eindrücke…