„Die Hände meiner Mutter“ von Florian Eichinger



Die Hände meiner Mutter“ feierte seine Weltpremiere beim diesjährigen Filmfest München. Dort erhielt Florian Eichinger den Förderpreis Neues Deutsches Kino für die beste Regie. Andreas Döhler gewann den Förderpreis Neues Deutsches Kino im Bereich Schauspiel. Döhler, der bisher hauptsächlich auf der Theaterbühne zu sehen war, spielt sehr überzeugend den erwachsenen, selbstbewussten, aber auch den jungen, verletzlichen Markus, der in Rückblenden den sexuellen Missbrauch noch einmal erlebt. Durch den Kunstgriff, einen erwachsenen Schauspieler seine Figur auch als Kind spielen zu lassen, wird deutlich gemacht, dass Traumata aus der Kindheit oft bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Zudem wurde in den Szenen, die den Missbrauch zeigen, bewusst auf einen Kinderdarsteller verzichtet, um weder dem Kinderdarsteller noch dem Zuschauer zu viel zuzumuten, aber auch, um Voyeurismus zu vermeiden.

Wie bereits in den ersten beiden Teilen der Trilogie zoomt Eichinger auch hier in eine Familie und in ein konkretes Thema hinein, das dann den ganzen Film bestimmt. Der Film wird u.a. durch Perspektivwechsel in verschiedene Teile gegliedert. Aus der Vogelperspektive werden z.B. das Schiff, auf dem die Feier stattfindet, oder das schicke, aber auch etwas kühle und monotone Einfamilienhausviertel präsentiert, in dem Markus mit seiner Familie lebt. Doch nicht nur diese Passagen gliedern den Film. Eingeblendete Vornamen aller Hauptpersonen läuten den folgenden Part des Films ein und richten den Fokus auf die genannte Person und wie sie damals mit der Situation umging bzw. heute damit umgeht. So wird dem Zuschauer deutlich, inwiefern die Familienmitglieder in den Missbrauch involviert waren und wie sich Markus‘ Trauma und sein Versuch, damit umzugehen, heute auf das Leben aller Beteiligten auswirken. Der erste Vorname, der eingeblendet wird, ist Renate, der Name der Mutter. Der letzte Vorname, der zu lesen ist und den Schluss des Films einleitet, ist der des Sohnes: Adam. Markus wird weiter kämpfen, auch für seinen Sohn.

Eichinger erzählt seine Geschichte ruhig und sachlich, verzichtet auf voyeuristische, reißerische Szenen und stellt seine Figuren niemals bloß. In einer entscheidenden Szene zwischen Monika und Markus‘ Mutter Renate wird Renate gar nicht gezeigt, damit der Zuschauer kein Mitleid mit der falschen Figur empfindet. Die Bilder sind in kühlen, zurückhaltenden Farbtönen gehalten und auf Musik wird größtenteils verzichtet. Eichinger dringt in das Seelenleben seiner Figuren vor, ohne ihnen zu nahezukommen. Für den Film recherchierte er intensiv und sprach ausführlich mit einigen Missbrauchsopfern und mit Psychologen. Markus‘ Umgang mit dem Missbrauch und die verschiedenen Therapieformen, die er ausprobiert, werden sehr authentisch dargestellt. Hervorzuheben sind nicht zuletzt die herausragenden schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten.

Regisseur und Drehbuchautor Florian Eichinger beweist Mut, sich mit einem in mehrfacher Hinsicht tabubehafteten Thema auseinanderzusetzen: Kindesmissbrauch in der Familie und Kindesmissbrauch durch eine Frau – die eigene Mutter. Ein wichtiger, intensiver und intelligenter Film über ein Thema, das erschreckend viele Menschen betrifft. Durch seinen ruhigen, nüchternen Ton erzeugt der monothematische Film eine besondere Beklemmung. „Die Hände meiner Mutter“ erhielt das Prädikat „besonders wertvoll“ – auch, weil der Film Mut macht. Mut, über Missbrauch zu sprechen und sich Hilfe zu suchen, um weiterleben zu können. Trotz oder gerade wegen des schwierigen Themas wünscht man dem Film ein großes Publikum.

Stefanie Borowsky

Die Hände meiner Mutter„, Regie: Florian Eichinger, DarstellerInnen: Andreas Döhler, Jessica Schwarz, Katrin Pollitt, Heiko Pinkowski, Katharina Behrens; Kinostart: 1. Dezember

1 2