„Die Vorsehung“ von Afonso Poyart
Mord aus Nächstenliebe bleibt immer noch Mord. In „Der Vorsehung“ wird nicht nur das schwierige Thema der Euthanasie behandelt, sondern auch das Gedankenexperiment geführt, nach dem den Menschen, bevor sie überhaupt an den Qualen einer unheilbaren Krankheit zu leiden beginnen, der schnellere Ausweg über den frühzeitigen Tod angeboten werden soll. Die Gesellschaft spaltet sich bei solchen Fragen in verschiedene Lager, die vor allem mit ethischen oder religiösen Grundsätzen dagegen oder dafür argumentieren. Der Staat nimmt vielerorts Partei und kriminalisiert Sterbehilfe gezielt. Der Film zeigt anhand einer dramatischen Überspitzung, dass die Diskussion zu diesem Thema sehr komplex ist und sich Theorie und Praxis wesentlich unterscheiden.
„Die Vorsehung“ liegt ein ambitioniertes und originelles Drehbuch zu Grunde, das von Sean Bailey („Gone Baby Gone„, Regie: Ben Affleck) und Ted Griffin gemeinsam geschrieben und vom thrillererprobten Beau Flynn („San Andreas„, Regie: Brad Peyton; „Das Ritual„, Regie: Mikael Hafström; „Number 23„, Regie: Joel Schumacher) produziert wurde. Der brasilianische Regisseur Afonso Poyart präsentiert mit „Die Vorsehung“ seinen zweiten Spielfilm, der nun die Dimension einer internationalen Produktion annimmt, was in erster Linie der Besetzung mit Anthony Hopkins und Colin Farrell zugute kommt.
Formal bietet der Film ein konsequentes und überzeugendes künstlerisches Konzept. Die Kamera nimmt durch Scheiben und Lichtbrechungen auf, spielt mit Spiegelungen und Verzerrungen, wiederkehrende Bilder der Stadt, vielfach nachts und wiederholt von oben aufgenommen, übernehmen eine strukturierende und dynamisierende Rolle. Die verschiedenen Szenen aus den Visionen der beiden Hauptdarsteller wurden glaubwürdig und spannend inszeniert. Der Film erzeugt ein stimmiges Gesamtbild, fasziniert in der Form eines Film noir, unterhält als Thriller und hinterlässt offene Fragen beim Zuschauer.
Teresa Vena
„Die Vorsehung – Solace„, Regie: Afonso Poyart, Darsteller: Anthony Hopkins, Colin Farrell, Jeffrey Dean Morgan, Abbie Cornish, Kinostart: 31. Dezember 2015