Dok Leipzig 2015: „Lampedusa im Winter“ von Jakob Brossmann



Vor einer Kirche protestieren seit zwei Monaten 25 Männer, alle aus Libyen geflohen. Sie wollen aufs Festland. Zusammen mit der Bürgermeisterin kämpft die engagierte Anwältin Paola aus tiefster Überzeugung um eine schnellstmögliche Lösung. Unter anderem kümmert sie sich ums Grab derer, die es nicht geschafft haben, in Lampedusa anzukommen. Das Bootsunglück vom 3. Oktober 2013 kostete 365 Menschen das Leben. Nachdem sie hunderte aus dem Meer geborgene Leichen gesehen hatte, konnte Paola nicht mehr ruhig schlafen. Die Anwältin unternimmt alles, um die Lage der geretteten Flüchtlinge ein bisschen zu verbessern. Jeden Tag bringt sie warmen Tee für die Protestierenden auf der Kirchentreppe. Zwei andere Aktivisten eröffnen ein kleines Museum und füllen es mit Gegenständen, die sie in alten Booten am Hafen gefunden haben. Diese gehörten denen, die nichts mehr zu verlieren hatten und tapfer ins Boot eingestiegen sind. „Hier, in der EU, haben wir die Möglichkeit frei zu reisen, tun es aber oft nicht“, erzählt Brossmann. „Die anderen müssen abreisen, weil sie sonst sterben würden.“ Sein Blick ist scharf und kritisch. Das Schicksal der Migranten ist nun zu seinem eigenen geworden. „Unser Leben ist nicht in Gefahr, wie die Rechtsradikalen uns vermitteln wollen“, betont der 30-Jährige Regisseur aus Wien.

Im Abspann endet der Film mit einem schlichten Satz, der viele Fragen offen lässt: Dem Europa gewidmet. Wie die Doku selbst erklärt, ist Europa nur dann Europa, wenn Rechte für alle gleich gelten – nicht selektiv und herkunftsbedingt. Der Mut der Lampeduser hat Brossmann überzeugt: eigene Probleme können vergleichsweise lächerlich sein. Vor allem dann, wenn andere vor viel dramatischen Herausforderungen stehen. Sein Film solle zeigen, wie wichtig es ist, Menschen in Not eine helfende Hand entgegen zu strecken. Im Endeffekt werden wir alle gerettet, indem man nach humanen Lösungen sucht und sich nicht unbeteiligt von den Geschehnissen wegdreht. Genau das machen die Lampeduser seit Jahren. Deren Engagement bleibt leider in den Presseberichten außen vor.

Alisa Bauchina

Lampedusa im Winter„, Regie: Jakob Brossmann

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