„Under the sun“ von Vitaly Mansky



Was Mansky aufnehmen durfte, waren nach der Idee seiner nordkoreanischen Begleiter gestellte Szenen und vorbereitete Dialoge. Selbst die Berufe der Eltern der kleinen Zin-mi wurden zu diesem Zweck umgeändert. Der Vater spielt einen Ingenieur in einer Textilfabrik, obwohl er nach Aussage des Mädchens eigentlich Journalist sein soll.

Die Musterfamilie sitzt beispielsweise am Esstisch und spricht darüber, wie Kimchi – koreanischer eingelegter Kohl und Nationalgericht – sämtliche für den Menschen erforderlichen Nährstoffe enthält, wie es vor dem Altern schützt und Krebs vorbeugt. Den Dialog müssen die drei so lange wiederholen, bis er passt. (Zin-mi bekommt die Aufforderung: „Sprich nicht, als ob du in einem Film mitspielst.“) Auch an anderer Stelle tauchen immer wieder Beweise für die Künstlichkeit des Vorgespielten auf.

Es ist wahrscheinlich der Technik der Digitalkamera zu verdanken, der man nicht mehr unbedingt ansieht oder anhört, dass sie gerade läuft, dass Mansky auch zwischendurch filmen konnte. Von offizieller Seite hat man sich sichtlich höchste Mühe gegeben, ein sonniges, idealisiertes Bild von Nordkorea zu zeigen. Obwohl Mansky zu Beginn des Filmes klarstellt, dass seine Aufnahmen im Nachhinein überprüft wurden, scheint er an verschiedenen Stellen die Kontrolle überlistet zu haben. Einmal zeigt er die Proben für manche Szenen, in denen auch die nordkoreanischen „Regisseure“ zu sehen sind. Ein anderes Mal sieht man ein Kind, das, während ein Kriegsveteran von den Heldentaten des Vaters der Nation berichtet, mühsam mit dem Schlaf kämpft. Wieder ein anderes Mal laufen Zin-mi, vermutlich aus Erschöpfung, Tränen übers Gesicht. Alles Momente, die kaum genehmigt worden wären.

Bereits die Dokumentation des ausschließlich vom Nord-koreanischen Staat vorgegebenen Ablaufs des Filmes wäre eindrücklich genug, um das Gesehen sich selbst demontieren zu lassen, da das Fassadenhafte des Dargestellten zu offensichtlich ist. Die Tugend des Regisseurs liegt darin, dass er auf jeden wertenden Kommentar verzichtet und damit das Bizarre dieses totalitären Systems umso direkter zum Ausdruck bringt. Mit seiner ruhigen Kameraführung, der ästhetischen Bildfindung und dem Verzicht auf untermalende Musik überzeugt „Under the sun“ auch künstlerisch.

Teresa Vena

Under the sun„, Regie: Vitaly Mansky

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