EFFIGIE – DAS GIFT UND DIE STADT von Udo Flohr


Suzan Anbeh als verführerische Gesche Gottfried in EFFIGIE © Filmdisposition Wessel / Udo Flohr

Die Angst vor dem Weib, das mordet, sitzt tief. Mindestens genauso tief wie die Faszination. Auch die Filmwelt erliegt ihr immer wieder, wie es erfolgreiche Produktionen wie MYSTERY mit Kathy Bates oder natürlich BASIC INSTINCT zeigen – oder in jüngerer Zeit Serien wie KILLING EVE. Viele Filme verpassen der Mörderin eine traumatische, triggernde Backstory (MONSTER), sonst wäre die Frau, die doch per traditionellem Rollenverständnis Kinder und damit Hoffnung, Zukunft, Leben in die Welt bringt, als Lebensauslöscherin vielleicht auch gar nicht hinnehmbar. Aber es gibt sie natürlich im wahren Leben, die Mörderinnen, von denen man nicht weiß, was sie genau motivierte, und es gab sie schon immer. Die Mörderinnen, die nicht bereuten. Die auch vor den eigenen Väter, Männern, Kindern keinen Halt machten. Zu ihnen gehört die Gesche Gottfried, die von 1813 bis 1827 mindestens 15 Menschen nachweislich mit „Mäusebutter“ (eine Mischung aus Schmalz und Arsen) vergiftete, manche von ihnen immer wieder leicht, über Jahre hinweg.

Udo Flohr hat nun also ihre Geschichte mit EFFIGIE – DAS GIFT UND DIE STADT aufgegriffen, einer Art historischem Krimidrama. Er verwebt darin Gesches Schicksal (Suzan Anbeh) mit dem einer anderen, allerdings fiktiven Frau, Cato Böhmer (Elisa Thiemann), die gern Juristin werden möchte, obwohl dies Frauen zu dieser Zeit noch unmöglich ist. Sie wird Protokollantin des Senators Droste und überführt mit ihm gemeinsam die Gesche Gottfried. Beide Frauen verbinden ihre Aufstiegsambitionen – doch die Ausgangssituationen sind denkbar unterschiedlich: Während Gesche Gottfried aus ärmlichen Verhältnissen stammt, ist Cato Böhmer gutbürgerlich aufgewachsen. Wurde die eine vielleicht unter anderem auch zur Serienmörderin, weil sich ihr gesellschaftlich keine anderen Möglichkeiten boten? Die Frage stellt Flohrs Film leise, aber deutlich, und er untersucht diese (Un)möglichkeiten von Emanzipation auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext von Moderne und Industrialisierung: In EFFIGIE ist der Umgang mit der Gesche Gottfred durchaus auch Teil eines politischen Ränkespiels zwischen dem Senator Droste, der die Eisenbahn nach Bremen bringen möchte und einem Kapitän, der den Weserausbau voranbringen will. Und der Verteidiger der Gesche Gottfried wendet fast schon freudianisch anmutende Erklärungsmuster der Taten in seiner Verteidigung an. Das ist vielleicht erdacht, aber sicherlich denkbar.

Es sind vermutlich auch diese mutigen und spannenden fiktiven Verknüpfungen, die Udo Flohrs Regiedebüt EFFIGIE Erfolg auf den kleinen Independent-Festivals beschert haben, trotz Low-Budget-Ästhetik (der Film kostete lediglich 400.000 Euro). Dass sich EFFIGIE dann aber nicht vom Fernsehfilm zur Indieperle mausert, liegt überhaupt nicht am Look, sondern daran, dass das Spiel aller Beteiligten hölzern bleibt, und dass es in diesem Film keinerlei nennenswerte Plotwendungen oder neue interessante Blickwinkel auf das Leben und Sterben einer Serienmörderin gibt. So bleibt am Ende lediglich die Faszination mit der Figur des mordenden Weibs bestehen, und die lässt sich durch Filme wie EFFIGIE natürlich kurzweilig-unterhaltsam weiter anfüttern.