Fantasy Filmfest-Kritik: „Columbus Circle“ von George Gallo
Von Gewalt geprägt
Den Boden für einen Thriller hitchcockscher Prägung bestellt man am besten durch das Ausdünnen von Settings. So nehme man ein Penthouse, ein durchgestyltes Apartment, eine reiche, agoraphobische Eigenbrötlerin und ein merkwürdiges Paar. Blüten treiben tut das Ganze natürlich durch einen Mord. Abigail (Selma Blair) ist Besitzerin eines High-End-Loft in einer der besseren Adressen von New York – dem Columbus Circle. Eines Nachts findet ihre Nachbarin einen gewaltsamen Tod und dieser Mord wird als Unfall kaschiert. Ihre Abgeschiedenheit von der Außenwelt (und der gesamten Menschheit) endet, als ein Polizist (Giovanni Ribisi) an ihre Tür klopft, um eine Routinebefragung durchzuführen.
Verschlimmern tut sich ihre Situation noch, als die leerstehende Wohnung ihrer Nachbarin von einem jungen Paar, Lillian (Amy Smart) und Charles (Jason Lee), angemietet wird. Ihre Skepsis gegenüber dem Paar ist scheinbar berechtigt, denn Charles schlägt Lillian regelmäßig. Als Lillian eines Abends blutend am Flurboden liegt, springt Abigail über ihren Schatten und öffnet die Tür. Durch Rückblenden erfährt der Zuschauer, dass Abigails Kindheit von Gewalt geprägt war und dass die beiden Frauen, von der Tatsache mal abgesehen, dass sie in diametralen Besitzverhältnissen aufwuchsen, recht viele Gemeinsamkeiten zu haben scheinen. Der Schein trügt natürlich. Charles Attacke auf Lillian war fingiert, damit Lillian ein persönliches Verhältnis zu Abigail aufbauen konnte. So weit, so konventionell, jedoch hinnehmbar.
Der Strippenzieher im Hintergrund Ray (Beau Bridges) gibt dem Killerpaar, wer sonst sollte hinter dem Mord an Abigails Nachbarin stecken, auch recht deutlich zu verstehen, dass gut Ding Weile hat, doch leider entschließt sich Charles, Ray zu erdrosseln und somit zu einem ganz gewöhnlichen Idioten zu regredieren. Es stümpert was stümpern muss: Der Zorn auf die Reichen, die man liebt, weil sie groß sind, und die man hasst, weil man selbst gern an ihrer Stelle wäre und wieviel vernünftiger und besser man mit dem vielen Geld umgehen würde, wäre die angstzerfressende, aber scheinbar wehrlose Ziege Abigail endlich tot. Nur „leider“ unterschätzt man Abigails Abwehrpotential gewaltig, denn nichts geht ihr über ihre Ruhe. Dem Dilemma, einen guten Thriller zu konstruieren, ohne zu wissen, was die ihm zugrundeliegende Angst ausmacht, entzieht sich Regisseur George Gallo mit einem Verfahren, das so alt ist wie der Vorabendkrimi selbst: Zur Anleitung eines Verbrechens wird eine Hypothese formuliert, um im Verlauf des Prozesses herauszufinden, ob sich mit der Ausgangshypothese arbeiten lässt, ob sie modifiziert oder von einer anderen abgelöst werden muss. Der Inhalt der Ausgangshypothese ist für dieses Verfahren ohne Bedeutung. So bleibt „Columbus Circle“ darin, vom netten Logikfehler mal abgesehen, eine schwer kontaktgestörte Frau mit Strapse schlafen zu schicken, langweilig und ausgesprochen vorhersehbar.
Joris J.
„Columbus Circle“ Regie: George Gallo, Drehbuch: George Gallo, Kevin Pollak, Darsteller: Selma Blair, Amy Smart, Jason Lee, Giovanni Ribisi, Kevin Pollak, Beau Bridges, Jason Antoon