Fantasy Filmfest-Kritik: „Doomsday Book“ von Jee-woon Kim und Phil-sung Yim


Hat der Mensch das Recht, eine künstliche Intelligenz auszulöschen? Foto: Splendid Film

Hat der Mensch das Recht, eine künstliche Intelligenz auszulöschen? Foto: Splendid Film

Eine Billardkugel zerschmettert die Welt

Die Vorstellung des Weltuntergangs, dem Ende aller Zeiten, ist eine Geißel, die dem Menschen wesenseigen scheint. Leben, entdecken, anhäufen, erfinden, austauschen, aufwachsen – alles ist mit der Angst untersetzt, irgendwann einmal ein Ende zu finden. Der Kunst ist diese Vorstellung vom Ende der menschlichen Existenz darum seit Anbeginn ein Inspirationsquell. Wer sich mit einem Anfang auseinandersetzt, muss auch das Diametrale sehen.

Die beiden südkoreanischen Regisseure Jee-woon Kim, bekannt für seinen hinreißenden Trash-Western „The Good, The Bad, The Weird“ und Phil-sung Yim („Hansel & Gretel„) greifen in ihrem Episoden-Film „Doomsday Book“ auf drei klassische Bausteine des Fantastischen Films zurück: Zombies, die Überlegenheit einer anderen Existenz und die Auslöschung der Erde durch einen Meteor. „Doomsday Book“ wandelt in seinem Unterhaltungsgrad dabei geschickt zwischen philosophischem Anspruch und der schnöden Freude am Zerfall des humanoiden Geschlechts.

Die Episode „Heaven´s Creation“ befasst sich mit der althergebrachten Frage, was passieren könnte, wenn der Mensch auf eine Existenz trifft, die ihm an Intellekt ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen ist. In einem abgelegenen Kloster hat ein Roboter das Selbstbewusstsein erlangt und gibt vor, erleuchtet zu sein. Daraufhin wird ein Elektromechaniker des Herstellers damit beauftragt, den Roboter nach einer Fehlfunktion zu untersuchen und im Notfalle abzuschalten. Dieser pragmatische Ansatz funktioniert für Pak Do-won natürlich nur, solange er dem Roboter nicht gegenübersteht. Denn schon nach der ersten Unterhaltung tun sich bei ihm Zweifel auf. Kann man eine Wesen, das sich seiner eigenen Intelligenz gewahr ist, einfach eliminieren? Ergibt sich aus dieser Fragestellung nicht auch ein Problem, das die Menschheit schon seit ihrer Geburt mit sich herum trägt? Hat ein Schöpfer das Recht, die Kreatur, die er erschaffen hat, und die sich nun selbstständig entwickelt, zu vernichten?

A Cool New World“ setzt an einem anderen Punkt an: Eine Seuche droht die gesamte Weltbevölkerung zu vernichten. Eben beißt ein junger Mann, der gerade auf dem Weg zu seinem Date ist, in einen nicht mehr ganz so frischen Apfel, und schon verwandelt sich die Erde in ein Chaos voller Zombies. Der schimmlige Apfel ist Ausgangspunkt dieser Seuche. Kaum weggeworfen, gelangt er in den Kreislauf der Müllverwertung, die wiederum ihre Restabfälle an Futtermittelfirmen liefert. So gelangt das Mutagen des Apfels schließlich in die Rinderzucht und damit wieder auf den Teller des Protagonisten. Der Mensch schaufelt sich mit seiner Kurzsichtigkeit und seiner Profitgier sein eigenes Grab, so die These. „A Cool New World“ gelingt es dabei gekonnt, nicht mit Mustern links-politischen Dünkels und moralinsauren Positionen zu langweilen. Die dreckige Bildästhetik dieser Episode genügt vollends: Der Mensch sabbert nicht erst, wenn er zum Zombie mutiert ist, er sabbert eigentlich die ganze Zeit.

Im dritten Kapitel „Happy Birthday“ steht ein Meteoriteneinschlag unmittelbar bevor, der, so befürchten es die Medien im Land, ebenfalls die gesamte Menschheit vernichten wird. Dass auch hier der Mensch Ausgangspunkt des Dramas ist, spielt in dieser Episode letztlich keine Rolle. Denn was den Planeten bedroht, ist eine Billardkugel, die schwarze Acht, die von einem kleinen Mädchen vor Jahren im Internet bestellt worden ist. Wie geglückt diese Prämisse ist, ist nicht weiter relevant. „Happy Birthday“ unterhält als eine Farce, die den Medienwahn, dem man als Individuum täglich ausgesetzt ist, mit großem Spaß vorführt. Nachrichtenagenturen berichten rund um die Uhr, Experten kolportieren ihre „wahren“ Thesen und Analysten werden allerorten zur Meinungsbildung herangezogen. Man glaubt ihnen, auch wenn man ihnen nicht glaubt. Relativierend in diesem Spiel der Extravaganzen ist immer das plötzliche Unglück, sei es politischer, wirtschaftlicher oder religiöser Natur. Die Bedrohung ist schließlich real und immerfort wahr.

Martin Daßinnies

Doomsday Book“ Regie/Drehbuch: Jee-woon Kim, Phil-sung Yim, Darsteller: Seung-Bum Ryoo, Joon-Hee Koh, Kang-Woo Kim, Gyu-Ri Kim, Pak Do-won, Hae-Il Park, Sae-Byeok Song, Ji-Hee Jin