„Halbschatten“ von Nicolas Wackerbarth


Szene aus "Halbschatten" von Nicolas Wackerbarth: Auf der Suche nach Liebe landet Merle (Anne Ratte-Polle) in einer fremden Familie.

Szene aus "Halbschatten" von Nicolas Wackerbarth: Auf der Suche nach Liebe landet Merle (Anne Ratte-Polle) in einer fremden Familie.

Die Stille nach dem Klingeln

Eine Frau mit Reisetasche steht vor einem abgeschirmten Anwesen irgendwo in Südfrankreich. Sie klingelt an der Eingangspforte, mehrere Male, kündigt ihre erwartete Ankunft auf einer Mailbox an, geht in die Büsche zum Pinkeln. Merle (Anne Ratte-Polle) ist gekommen, um mit ihrem Liebhaber Romuald und dessen Kindern den Urlaub zu verbringen. Doch aus den gemeinsamen Tagen am Pool in dem schicken Ferienhaus in einem Ferienort an der Atlantikküste wird nichts. Denn Romuald kommt nicht, zumindest für die nächsten drei Tage und die nächsten anderthalb Stunden Filmzeit nicht.

Statt mit großem Drama wieder abzureisen, entscheidet sich Merle für die Rolle der neutralen Beobachterin. In Gesellschaft zweier pubertierender Kinder kein leichtes Unterfangen. Die machen ihr zumindest nach einiger Zeit die Tür auf – ganz konkret, aber auch im übertragenen Sinne. In den drei Tagen Wartens auf ein Lebenszeichen ihres Gastgebers entwickelt sich eine Art Freundschaft zwischen den Dreien: Die mehr als zwanzig Jahre ältere Merle macht einfach mit, bei den ersten Partys, dem sinnlosen Rumknutschen und stundenlangem Abhängen am Pool. Aber wie der Name des Films „Halbschatten“, so bleibt auch Merle in ihrer Haltung zur Gesamtsituation merkwürdig unklar, sie will ihre Beziehung nicht einfach aufgeben, will es sich nicht mit den Kindern verscherzen, will ihren Entscheidungsspielraum behalten, den sie sich als unabhängige Enddreißigerin aufgebaut hat.

In der Regel macht sie sich rar, aber wenn man die Schauspielerin Anne Ratte-Polle einmal auf der Leinwand zu sehen bekommt, dann weiß man, hier geschieht nichts Erwartbares. Mit ihrem zurückhaltenden Spiel und ihrer gleichzeitig starken physischen Präsenz ist es eigentlich verwunderlich, dass sie nicht schon längst mehr von den Filmemachern der Berliner Schule eingesetzt wurde.

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