„Ich und Kaminski“ von Wolfgang Becker



Wolfgang Becker, Regisseur von „Goodbye, Lenin!„, hat für „Ich und Kaminski“ auf seinen damaligen Hauptdarsteller Daniel Brühl zurückgegriffen. Zwölf Jahre nach dem internationalen Erfolg des Films, lässt Becker Brühl ganz entgegen seiner gewohnten Rollenmuster, den pietätlosen, unmoralischen und überheblichen Journalisten mimen, der sich ausschließlich über andere profiliert. Dem Zuschauer wird so ein angenehm neuer Blick auf den Schauspieler geboten und nebenher eine Figur kreiert, für die sich nur allzu leicht Antipathien entwickeln lassen.

Ich und Kaminski“ ist nur vordergründig ein Film über die moderne Kunstszene und die deutsche Medienlandschaft. Eigentlich handelt es sich bei „Ich und Kaminski“ um einen intelligenten Film über das Altern. Dem Film, der auf dem gleichnamigen Roman des Autors Daniel Kehlmann (unter anderem auch „Die Vermessung der Welt„) beruht, zeigt auf, was es bedeutet, solange zu leben, dass die eigene Zeit bereits abgelaufen scheint. Kaminski und seine Wegbegleiter sind noch nicht tot, aber am Leben fühlen sie sich auch nicht mehr. Die Gegenwart erschließt sich ihnen mit all ihren Tücken und Neuerungen nicht. Immer dann, wenn Kaminski sich mit Namen vorstellt, entfährt den Leuten ein spontanes „Der ist doch tot“ anstelle einer Begrüßung und es liegt an Kaminski selbst, sich für sein andauerndes Leben zu rechtfertigen.
Obwohl Kaminski noch am Leben, ist er bereits zu einer Figur geworden, einem Charakter der Geschichte, vielleicht sogar einem Mythos.

Besonders intelligent geht „Ich und Kaminski“ mit den Themen Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungen um. Während der restliche Film einen stark satirischen, komödiantischen Ton anschlägt, manchmal sogar etwas zu sehr in den Klamauk abdriftet, nimmt Becker sich die Zeit, diese zentralen Themen des Films ernsthaft und dezidiert zu betrachten.

Ich und Kaminski“ beleuchtet den Umstand, dass die Momente, die unser eigenes Leben geprägt und geleitet haben, im Leben anderer nicht den gleichen Raum eingenommen haben müssen. Zentral ist dabei die Liebesgeschichte zwischen Manuel Kaminski und Therese Lessing (Geraldine Chaplin), der Muse seines Frühwerks.

Zusammen mit Sebastian Zöllner macht sich Manuel Kaminski auf, eine letzte Reise zu einer Frau zu unternehmen, die er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat, und muss erkennen, dass er auch in seinem hohen Alter nicht vor erschütternden Enttäuschungen gefeit ist.

Emily Grunert

Ich und Kaminski„, Regie: Wolfgang Becker, DarstellerInnen: Daniel Brühl, Jesper Christensen, Amira Casar, Jördis Triebel, Kinostart: 17. September 2015

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