„La chispa de la vida“ von Alejandro de la Iglesia
Janusköpfige Kunst
Fassungslos starrt der Museumsdirektor auf ein Bild, das Francisco de Goya entworfen haben könnte. Was der Direktor in Alejandro de la Iglesias „La chispa de la vida“ sieht, ist ein leblos wirkender Körper. Es ist Roberto (Jose Mota), der mitten im gerade wiedereröffneten antik-römischen Amphitheater liegt. Wie ein blutender Jesus ist Roberto aufgebahrt, die Hände weit ausgestreckt, das linke Bein leicht angewinkelt. Eben noch wollte der glücklose Werbetexter seiner Frau Luise (Salma Hayek) eine Freude bereiten und ein Zimmer buchen in jenem Hotel, in dem sie einst ihre Flitterwochen verbrachten. Das Unglück der letzte Jahre, die Arbeitslosigkeit, die daraus resultierenden Depressionen, die schwindende Selbstgewissheit für kurze Zeit vergessen machen. Doch das Hotel ist abgerissen und hat eben jenes Amphitheater freigegeben, in dem Robert nun liegt. Er hat einen Sturz vom Dach des angrenzenden Museums überlebt und ist bei vollem Bewusstsein, obwohl in seinem Hinterkopf ein massiver Eisenstab steckt.
Schreckensvisionen und Hoffnungen paaren sich auf außergewöhnliche Weise in Goyas Bildern. Es sind dämonische, albtraumhafte Visionen, die vor allem die Dummheit des Menschen geißeln. Es ist eine janusköpfige Kunst, in der sich Gut und Böse ineinander verschränken und in der die Annahme einer haltgebenden Moral eine groteske Vorstellung ist. „La chispa de la vida“ von Alejandro de la Iglesia ist nichts anderes. Die lächerliche Situation, in der sich Roberto wiederfindet, ist Grundlage für eine überbordend laute Klatsche auf eine übersättigte Mediengesellschaft, die empathisch unterentwickelt und sinnentleert gierig ist. Eine Gesellschaft, die um jeden Preis, stets und ständig teilhaben muss. In der die Information, sei es nun via Internet, Radio oder Fernsehen, sich als Sucht äußert. Mit der jede Menge Geld zu machen ist und für die sich in letzter Konsequenz jeder willfährig korrumpieren lässt.
Selbst Roberto, dem der Zuschauer in gewohnter Perspektive mitleidend gegenüberstehen sollte, schachert in diesem Alptraum schließlich um das höchste Gebot für ein Exklusivinterview. Aus dem blutenden Jesus, den Iglesia am Beginn seines Filmes in gebückter Haltung durch das Bild schlurfen lässt, und der sich erst um einen emotionalen Ausbruch bemüht, als er das Büro seines ehemaligen Freundes, den er um einen Job gebeten hat, gedemütigt verlassen hat, wird am Ende ein Janus, der kaum greifbar ist. Vom Wahn getrieben, der Familie in letzter Instanz eine finanzielle Absicherung zu garantieren, verkennt er die Unverhältnismäßigkeit seines Tuns und kann nur durch eine Lüge seiner geliebten Luisa besänftigt werden.
„La chispa de la vida“ ist laut, unangenehm schrill und in vielen Momenten das, was man wohl als „zu viel des Guten“ bezeichnet. Und dieser Film muss das auch sein, denn Iglesia wehrt sich schon in seinem gesamten Schaffen, von „Perdita Durango“ bis hin zu seiner letzten Arbeit „Balada triste de trompeta„, gegen das Mittelmaß, das die westliche Gesellschaft in ihrer zweckgebundenen Lebenswirklichkeit zur Norm erhoben hat. „La chispa de la vida“ zwingt dem Zuschauer nichts auf. Man braucht sich nicht entscheiden, ob man auf das Absurde, das dort auf der Leinwand geschieht, mit Schrecken blicken soll, oder ob man über Robertos Unglück lauthals lacht. Iglesia hat einem am Ende seines Fim so oder so die Janusmaske aufgesetzt.
Martin Daßinnies
Berlinale-Termine: Fr 17.02., 23 Uhr, Haus der Berliner Festspiele