„Love and Peace“ („ラブ&ピース“) von Sion Sono


"Love and Peace" von Sion Sono war ein Highlight im Programm des Weihnachtsfilmfestivals 2017. Foto: Asmik Ace Entertainment / Gansis / WT Films 2015

„Love and Peace“ von Sion Sono war ein Highlight im Programm des Weihnachtsfilmfestivals 2017. Foto: Asmik Ace Entertainment / Gansis / WT Films 2015

Weltfrieden und Weihnachtswunder

Wenn bissige Gesellschaftskritik auf sprechende Kuscheltiere und japanischen Glitzer-Pop-Rock trifft und Tokyo in Schutt und Asche gelegt wird, dann kann Sion Sono eigentlich nicht weit sein, denn was der japanische Regie-Workaholic in den letzten Jahren bewiesen hat, dann dass er sich weder auf ein Genre noch thematisch festlegen will – mit großer Freude jedoch immer schön viel Salz in die offenen Wunden der japanischen Gesellschaft streut. Mit „Love and Peace“ präsentiert der Regisseur einen für ihn eher ungewöhnlichen Film, der ganz ohne Gewaltexzesse oder explizite sexuelle Anspielungen auskommt – ja, man könnte fast sagen, „Love and Peace“ sei ein Film für die ganze Familie.
Es geht um den fabelhaften Aufstieg eines sympathischen Losers, um den Traum von einer besseren Welt, um das Weihnachtswunder und natürlich: den Weltfrieden.

2009 erlangte Sono mit seiner vierstündigen religionskritischen Liebes-Dramödie „Love Exposure“ internationale Bekanntheit, unter anderem lief der Film auf der Berlinale und auf dem Raindance Festival, aber erst in den letzten beiden Jahren scheint der Regisseur produktiv zu absoluten Hochtouren aufzulaufen: Zwischen 2014 und 2017 realisierte der Regisseur insgesamt acht Filme, darunter unter anderem das bombastische Hip-Hop-Musical „Tokyo Tribe“ und den philosophischen Science-Fiction-Streifen „Whispering Star„, der unter anderem in den von der Dreifach-Katastrophe betroffenen Gebieten um Fukushima herum gedreht wurde. In einem Interview für das Indie-Kulturmagazin “Tracks” des deutsch-französischen Kultursenders ARTE sagte Sono 2016 Folgendes: „Ich habe dieses Jahr sechs Filme heraus gebracht. Das ist eine Menge! Als hätte ich mir vorgenommen, Japan mit Filmen zu überschwemmen. – Setzt man ‚Film‘ mit ‚Soldat‘ gleich, dann habe ich eine kleine Armee aufgestellt, um dieses Land zu zerstören.“ – Na, dann ist ja alles klar.

Love and Peace“ kommt zunächst einmal wie Popcorn-Kino vom Feinsten daher: Erzählt wird die Geschichte des schüchternen Ryoichi, der von von einer Karriere als stadionfüllender Rockstar träumt, seine Tage jedoch als Angestellter und menschlicher Fußabtreter in einer Firma fristet, wo er fast täglich dem Spott seiner Kollegen ausgesetzt ist. Selbst das Fernsehprogramm, beschimpft den erfolglosen Künstler. Gegen die Verzweiflung und Einsamkeit soll der Kauf einer Schildkröte helfen, die er liebevoll – in Anlehnung an die japanische Bezeichnung für die beiden Atombomben, die einst Hiroshima und Nagasaki zerstörten – „Pikadon“ nennt. Dies setzt eine Reihe von Ereignissen in Gang, die sein Leben radikal verändern werden. Und plötzlich wird der Traum vom Leben als Popstar greifbar und auch seine heimlich angeschmachtete und ebenso schüchterne Kollegin aus der Firma scheint ihn endlich zu bemerken. Das unerwartete Glück kommt allerdings nicht ganz ohne Nebenwirkungen…

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