ME, WE von David Clay Diaz
Migration ist eines der großen Themen unserer Zeit und gehört seit je her zum Menschsein dazu. Dank Klimakrise und nicht enden wollender, sowie stetig neuer Kriege, wird uns dieses Thema auch in Zukunft noch stark beschäftigen und vor große Herausforderungen stellen. Wie gehen wir damit um? Jetzt und in Zukunft? Was macht das mit uns hier im bequemen Westen?
David Clay Diaz, der selbst Migrant ist, beleuchtet in seinem neuesten Werk ME, WE dieses Thema in vier unterschiedlichen Episoden.
Über das Spielfilmdebüt von David Clay Diaz, AGONIE, hatte Teresa Vena 2016 berichtet. Hier gehts zu ihrer Kritik.
Marie will helfen. Und zwar vor Ort, mittendrin im Chaos will sie anpacken. Deshalb reist sie nach Lesbos in ein Auffangcamp für Geflüchtete. Ihre Motivation ist groß, die Flüchtlinge lassen allerdings auf sich warten. Marcel und seine Freunde wollen junge Österreicherinnen beschützen, kommen doch jetzt immer mehr gewalttätige Migranten, die über die jungen Mädels herfallen wollen. Deshalb gründen sie einen Begleitservice für junge Frauen. Die Fernsehredakteurin Petra nimmt selbstlos den jungen Syrer Mohammed bei sich auf und macht es zu ihrer Aufgabe ihn so gut es ihr möglich ist zu integrieren. Dabei übersieht sie, dass Mohammed kein Klischee, sondern ein Individuum ist. Gerald tut alles in seiner Macht stehende für die Bewohner des Asylbewerberheims, das er leitet. Dafür wird er sehr geschätzt. Nur der junge Aba fordert ihn heraus, indem er sich weigert, Regeln zu befolgen, deren Sinn er nicht versteht.
ME, WE ist großes Kino im Kleinen. Es sind mehr oder weniger kleine, alltägliche Szenen, die auf fast naive Weise Vorurteile und Gedanken entlarven, die wir wahrscheinlich alle in uns tragen. Das schafft Diaz ganz ohne Zeigefinger und ohne seine Figuren zu verraten. Man kann nachvollziehen warum die Akteure handeln, wie sie es tun. Und grade das macht die einzelnen Geschichten emotional greifbar. Leider verzettelt sich der Filmemacher aber im Laufe seiner Geschichte. Der ein oder anderen Episode hätte eine straffere Zuspitzung gutgetan. Dennoch lohnt es sich allemal den Film zu sehen. Er führt uns charmant vor, wie hilflos wir sind. Marie möchte helfen, doch was kann ein Mensch ausrichten? Vielleicht haben wir wie Marcel Angst davor, dass sich Dinge ändern. Oder wir denken, wie Petra, dass man Migranten nur unsere Kultur nahe bringen müsse, ohne zu sehen, dass sie selbst eine reiche Kultur im Gepäck haben. Manche denken eventuell, dass sie alles tun, was sie tun können und sind dann vor den Kopf gestoßen, wenn ihnen ihre Grenzen aufgezeigt werden.
Es geht hier nicht um das Leid der Migranten, um ihren beschwerlichen Weg oder die Hürden, vor denen sie stehen, wenn sie an ihrem Ziel angekommen sind. ME,WE setzt den Fokus auf das ME, also auf die westliche Sicht derer, die helfen wollen und ein bisschen auch auf die, denen Flüchtlinge Angst machen. Der Part über die ängstlichen Menschen hätte nach meinem Geschmack gerne etwas mehr ins Extrem gehen dürfen. Dennoch schafft es David Clay Diaz immer wieder, den Zuschauer auf unterschiedlichste Art und Weise zu berühren und mitzureißen.
ME, WE; Regie: David Clay Diaz, Darsteller: Verena Altenberger, Lukas Miko, Alexander Srtschin, Barbara Romaner und Anton Noori u.a.