„Meine Brüder und Schwestern im Norden“ von Sung-Hyung Cho


Selbstverständlich bedurfte es für jede Aufnahme einer Genehmigung seitens der Volkspartei. Die Route und Ansprechpartner wurden vorgegeben und mit großer Sicherheit die Antworten weitgehend im Voraus durchgesprochen. Vor diesem Hintergrund erstaunen die einsilbigen, genügsamen Aussagen der Befragten nicht. Die Arbeiterin in der Textilfabrik antwortet auf die Frage nach ihren Träumen und Wünschen, zwar etwas ratlos ob der Bedeutung dieser beiden Begriffe, auch nach längerem Insistieren beharrlich, ihr Wunsch sei es, in ihrer Arbeit schneller und effizienter zu werden, um das geplante Soll immer weiter erfüllen zu können.

Immer wieder schleichen sich etwas differenziertere Bemerkungen in die Gespräche mit ein, wenn die eine ältere Frau über ihren großen Wunsch nach einer Wiedervereinigung der beiden Länder spricht, ihre Nichte von ihrem Militärdienst oder der Maler Kang über seine Vorliebe für schöne Modelle berichten. Zum Teil stellt sich das Gefühl ein, dass, obwohl alles für unser Verständnis harmlose Eitelkeiten sind, die Führungsschicht vermutlich gerne ihr Veto eingereicht hätte. Zu hoffen bleibt, dass den Mitwirkenden des Films jegliche Repressalien erspart worden sind. Cho selbst war sich der Gefahr bewusst, der sie als Südkoreanerin im Norden ausgesetzt war. Es sei bereits vorgekommen, dass Journalisten oder Künstler mit südkoreanischen Wurzeln als Spione des Südens aufgefasst und verhaftet wurden. Ihre angenommene deutsche Nationalität sollte ihr für das Projekt daher behilflich sein – ohne wäre eine Einreise nicht möglich gewesen. Trotzdem soll Cho besonders bemüht gewesen sein, sämtliche Regeln einzuhalten und beispielsweise keinen Versuch zu wagen, heimliche Aufnahmen zu machen.

Die große Stärke des Films besteht darin, dass die Autorin ihren Gegenübern auf Augenhöhe begegnet. Sie erweckt zu keinem Moment den Eindruck, über sie zu urteilen oder sich etwa lächerlich zu machen. Neben den unterschiedlichen Menschen und Lebensweisen rückt auch die beeindruckende, wenig besiedelte Landschaft Nordkoreas ins Bild. Der Film bietet verschiedene Identifikationsmotive und gibt einem Volk, das wir der Einfachheit halber als Abstraktum ansehen, ein Gesicht – oder eben mehrere Gesichter.

Teresa Vena

Meine Brüder und Schwestern im Norden„, Regie: Sung-Hyung Cho, Kinostart: 14. Juli 2016

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