„Molly’s Game – Alles auf eine Karte“ von Aaron Sorkin



Mit „Molly’s Game – Alles auf eine Karte“ gibt der bekannte Bühnen- und Drehbuchautor Aaron Sorkin („The Social Network„, „Steve Jobs„) sein Regiedebüt. Das Drama basiert auf der wahren Geschichte der Molly Bloom. Bloom veröffentlichte 2014 ihre Autobiografie „Molly’s Game: The True Story of the 26-Year-Old Woman Behind the Most Exclusive, High-Stakes Underground Poker Game in the World„, in der sie über die spektakulären Pokerrunden in Hollywood schreibt. In ihrem Buch endet Bloom allerdings mit ihrer Verhaftung durch das FBI.

Der Film setzt dort an, wo sie Lücken in ihrer Erzählung gelassen hat, z.B. bei dem Erkenntnisprozess des Strafverteidigers oder der zerbrechlichen Beziehung zu ihrem Vater. Der Film fokussiert zwar das Poker spielen, aber schafft vordergründig ein Portrait Molly Blooms mit der Frage: Wer ist diese Frau wirklich abseits jedes Medienberichts? Sorkin führte nicht nur Regie, sondern schrieb auch das Drehbuch.

Der Film skizziert Bloom in drei wichtigen Bereichen ihres Lebens: dem Sport, dem Pokern und der Gerichtsverhandlung. Sorkin verzichtet auf eine klassische, chronologisch-linear erzählte Handlungsstruktur. Der Sport bildet den Anfang und das Ende. Durch die bloße Aneinanderreihung von Bildern und Fakten (Stakkato-Effekt) führt er Mollys Figur ein. In einem straffen Tempo und mit der Off-Stimme Mollys entsteht eine Reizüberflutung an Bildern und Informationen, die gerade am Anfang des Films den Zuschauern überfordern könnte. Diese Dynamik passt aber gut zum Profi-Sport Blooms, wo es darum geht, möglichst viel, gleichzeitig in hoher Qualität und in kurzer Zeit zu schaffen.
Schon in diesem Bereich zeigt sich in visueller Hinsicht eine Besonderheit: die Faszination fürs Detail auf der Bild- und auf der Erzählebene. Die Kamera arbeitet mit sehr vielen Detail- und Großaufnahmen. Gleichzeitig wird versucht dem Rezipienten eine inhaltliche Orientierung zu bieten. Der Zuschauer wird quasi an die Hand genommen. Leider bekommt er nicht wirklich viel Zeit, das Gezeigte zu verarbeiten, sondern wird sofort in den nächsten Bereich geworfen: die Pokerturniere.

Mollys_Game_plakatDas Drama nimmt hier richtig Fahrt auf. Ausgehend von der Gegenwart mit dem Prozess, erzählt Molly in anekdotischen Rückblenden ihre Geschichte. Dabei wechselt sich die Gegenwart (Gerichtsverhandlung) immer mit der Vergangenheit (Poker) ab. Zwar ist die Rahmenhandlung verständlich, aber die Komplexität des Pokerspiels überfordert gerade nach der Reizüberflutung am Anfang erst recht. Dem Publikum fehlt oft das Know-How des Spiels, um einigermaßen folgen zu können. Die Voiceover-Stimme von Molly, die versucht dem Zuschauer alles zu erklären, hilft wenig. Erst der Versuch des Erklärens auf der visuellen Ebene, verschafft das Gefühl, die Thematik zumindest im Rahmen des Films verstehen zu können. Die Faszination fürs Detail zeigt sich vor allem in diesem Bereich. Die Kombination aus Voiceover und dem visuellen Designstrategien (extradiegetische Beschriftung) im Bezug auf Poker und Sport, die gemeinsam zum Verständnis des komplexen Inhaltes beisteuern, sollte an dieser Stelle gelobt werden.

Viel interessanter als das Glücksspiel wird die Gerichtsverhandlung. Sie ist der Ausgangspunkt der Story. In diesen Einstellungen drosselt Sorkin zum ersten Mal sein Tempo und lässt den Zuschauern kurz Zeit zum Durchatmen. In diesem Bereich ist die Figur Molly am spannendsten anzusehen. Obwohl der Frau eine langjährige Haftstrafe, wegen illegalen Glücksspiels droht, bleibt sie ihren moralischen Grundsätzen immer treu. Sie weigert sich die Namen ihrer Kunden offenzulegen. Der innere Konflikt zwischen richtig & falsch ist deutlich spürbar und die emotionale Tiefe der Figur offenkundig sichtbar. Das Publikum fängt an nachvollziehen zu können, warum Molly Bloom Dinge getan hat beziehungsweise warum sie bestimmte Dinge nicht tun möchte. In den anderen beiden Bereichen ihres Lebens wirkt der Charakter eher oberflächlich, kühl und undurchdringbar. Dies wird auch an der Kameraarbeit ersichtlich. Die Kamera bleibt auf Distanz mittels Halbtotalen/Totalen und Halbnahen.
In Ausnahmesituationen jedoch, die nicht unmittelbar mit Sport oder Poker zu tun haben (wie einem Überfall in ihrer Wohnung), hält die Kamera auf die Figur drauf und assoziiert Nähe. Ansonsten wahrt sie immer die Distanz zu Molly und ermöglicht kein Durchdringen. Auf der inszenatorischen Ebene erinnert der Film sehr stark an „The Wolf of Wallstreet“ mit Leo DiCaprio. Bei „Molly’s Game“ entwickelt der Film allerdings eine eigene Perspektive auf die Geschichte dieser faszinierenden Frau. Das Drama verbindet Teile der Erzählungen aus der Autobiografie, der Fiktion Sorkins und der mündlichen Überlieferungen durch Bloom an den Filmemacher miteinander. Im Crime-Drama selbst ist nur die Figur Molly Bloom echt. Alle anderen Nebenfiguren sind weitestgehend fiktional erfunden bzw. Namen wurden geändert. Der Filmemacher wollte dem Zuschauer nach eigenen Angaben nicht die Möglichkeit bieten, herausfinden zu können, wer welche Figur im realen Leben ist.

Regisseur und Drehbuchautor Aaron Sorkin schafft es, einen spannenden, unterhaltsamen beeindruckenden und dynamischen Film mit emotional tiefgründigen Figuren auf die Leinwand zu bringen.
Getragen wird das Drama vor allem durch die schauspielerische Brillanz von Jessica Chastain und der Ausdruck von Gedanken und Gefühlen ihrer Figur Molly mittels Voiceover. Chastain kann hervorragend den inneren Zwiespalt zwischen Moral und Kriminalität mit der Frage nach richtig oder falsch nach außen transportieren, ohne dabei zerbrechlich zu wirken. Sie unterstreicht in ihrem Spiel immer wieder die innere Charakterstärke und Überzeugungskraft ihrer Figur. Die moralischen Vorstellungen und der Entwicklungsprozess Molly Blooms, sowie die Beziehung zwischen ihr und ihrem Anwalt bilden das Herz der Story.
An dieser Stelle sollte auch noch die Leistung Idris Elbas als Anwalt gewürdigt werden. Die Darbietungen beider Schauspieler verbinden sich zu einem harmonischen Zusammenspiel.

Das Drama zeichnet sich weiterhin durch seine bissigen Dialoge, dem interessanten visuellen Design und den erzählerisch überraschenden Wendungen aus. Der Film ist keine 1:1 Adaption seiner literarischen Vorlage, sondern zeigt den Blick des Drehbuchautors auf die Lebensgeschichte der Molly Bloom. „Molly’s Game – Alles auf eine Karte“ ist im weitesten Sinne eine Metapher vom Gewinnen und Verlieren. Von Verlust und Hoffnung. Entweder alles oder eben nichts

Sophia Förtsch

Molly’s Game – Alles auf eine Karte„, Regie: Aaron Sorkin; DarstellerInnen: Jessica Chastain, Idris Elba, Kevin Costner, Michael Cera, Jeremy Strong, Bill Camp, Christ O’Dowd; Kinostart: 08. März 2018

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