„Nichts passiert“ von Micha Lewinsky


Lewinsky erzeugt in seinem Film von Anfang an und mit einfachen Mitteln eine bedrängende, unheildrohende Atmosphäre. Schauplätze und Ausstattung konzentrieren sich auf ein Minimum und wirken dadurch authentisch. Aufgenommen wurde „Nichts passiert“ in einem Dorf nahe Davos, gekennzeichnet durch kurvenreiche Hangstraßen und idyllische Aussichten auf die Bergkulisse. Sie bilden einen gelungenen Rahmen für die alles andere als versöhnliche Handlung. Die Dialoge und noch vielmehr die teilweise gestotterten Monologe der Hauptfigur sind ungekünstelt, präzise und von überzeugender Tragikomik. Der Autor stellt eine genaue Beobachtungsgabe, ein differenziertes Denken sowie ein hohes Einfühlungsvermögen unter Beweis.

Mit der Figur des Thomas Engel, die Striesow tatsächlich wie auf den Leib geschrieben zu sein scheint und zu einer seiner vielschichtigsten Rollen gehört, zeichnet Lewinsky ein feines psychologisches Bild eines konfliktscheuen und labilen Menschen, mit dem sich der Zuschauer über den Grossteil der Zeit identifiziert. Der Film liest sich weniger als Anklageschrift, sondern soll gemäss der Intention des Autors, den Zuschauer zum Nachdenken bringen, wie er selbst in einer ähnlichen Situation reagieren würde. Dass sich hier Theorie und Praxis wesentlich unterscheiden, legt er seinem Publikum gleichermaßen nahe.

Zweifelsohne ist Striesow ein Gewinn für „Nichts passiert„. Doch Lewinsky hat bereits in seinen beiden ersten Filmen ein hervorragendes Gespür für jüngere, noch unbekannte Talente bewiesen, so interpretierte Philippe Graber beispielsweise in „Der Freund“ die Hauptrolle meisterhaft – ein Charakter, der Striesows Thomas Engel ähnelt. In „Nichts passiert“ fällt insbesondere Annina Walt auf, die das verängstigte Mädchen Sarah einfühlsam darstellt.

Teresa Vena

Nichts passiert„, Regie: Micha Lewinsky, Darsteller: Devid Striesow, Maren Eggert, Max Hubacher, Annina Walt, Lotte Becker, Kinostart: 11. Februar 2016

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