NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN von Joana Georgi


NIEMALS ALLEIN IMMER ZUSAMMEN © Neue Visionen Filmverleih GmbH
NIEMALS ALLEIN IMMER ZUSAMMEN © Neue Visionen Filmverleih GmbH

Die Einsamkeit des Kollektivs

Wenn Quang, Patricia, Simin Zaza und Felice sich an einem Januarabend in einer Berliner Altbauwohnung treffen, trinken sie nicht einfach Tee und plauschen gemütlich – sie schmieden Pläne für das kommende Jahr. Sie reden nicht nur über gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, sondern sie kämpfen für echte Veränderung. Gelebte Utopie – soweit es geht. Quang ist bei Fridays for Future aktiv, Patricia engagiert sich für die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen, Zaza streikt mit anderen Azubis für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und Simin kämpft in der migrantischen Bewegung unter anderem gegen rassistische Gewalt.

Das Engagement von Quang, Patricia, Simin, Zaza und Feline – ihre Energie – ist beeindruckend. Sie zeigen ganz selbstverständlich, dass unterschiedliche Bewegungen sich vernetzen und gegenseitig bestärken können. Oft ist in politischen Diskussionen von systematischen aka unlösbar scheinenden Problemen die Rede – diesem Fatalismus stellt der Film und stellen seine Protagonist*innen einen systematischen aka organisierten Widerstand entgegen.

Doch spätestens wenn das FDJ-Lied „Ich trage eine Fahne“ gesungen, Mitstreiter*innen mit „Genosse*in“ angesprochen und über die Vorzüge von DDR-Kühlschränken (nachhaltig, da reparabel) philosophiert wird, ist klar: Dies ist ein Film für den inneren Zirkel. Werden die dezidiert realsozialistischen Werte der Protagonist*innen nicht eins zu eins geteilt, ist das Seherlebnis vor allem eins: einsam.

Zusammenhalt wird propagiert, beredet und gezeigt – er ist aber kaum spürbar. Die Gespräche am Küchentisch oder auf der Picknickdecke am See fühlen sich inszeniert an. Von den Reden auf den Demos unterscheidet sie allein der Duktus – und der erinnert Agitation im alten Stil.  Wir erfahren viel über die Haltung und das Engagement der Protagonist*innen, kommen ihnen aber kaum nah. Ist das der Brecht’sche Entfremdungseffekt in Aktion? Möglich. Auf seine eigene Weise bleibt der Film deshalb einseitig und wirkt populistisch.

Immer wieder fällt das Schlagwort Arbeiterklasse – und jedes Mal klingt es merkwürdig veraltet. Es klingt nach Selbstzweck, nach DDR-Nostalgie und Plattitüde. Ist es nicht so, dass die Grenzen zwischen Kapitalist*innen und Arbeiter*innen heute fast bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht sind? Und macht es überhaupt Sinn, diese Begriffe zu verwenden? Ob und wie kommunistische Ideen in die Gesellschaft der Gegenwart passen, wird nicht diskutiert. Stattdessen ertönen FDJ-Lieder.

Und muss es überhaupt immer die Demo, das Kollektiv, das kommunistische Sommercamp in Palästina sein? Geht es vielleicht auch anders? Der Film zeigt politischen Aktivismus vor allem als Demo, als Reel, als selbst gebasteltes Plakat. Nur am Anfang, wenn Feline eine Torte bäckt, die durch Spenden finanziert wird und an Menschen geht, die sich Konditoreikreationen sonst nicht leisten könnten, gibt es einen kurzen Einblick in andere Formen des Widerstands.

Am Ende ist es in Ordnung, dass NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN nicht für alle ist. Einige wird er sicher bestärken und zum Engagement anregen. Vielleicht ist das genug. Nur den gemeinsamen Kämpfen, die der Film im Titel beschwört, wird er nicht gerecht.