„Okja“ von Joon-ho Bong


Okja“ beginnt äußerst gemächlich mit der Beschreibung einer ländlichen Idylle, es folgt eine aktionistische Entführungs- und Verfolgungsjagd durch die Straßen und die unterirdischen Ladenpassagen der U-Bahn Seouls, die sich im letzten Teil des Filmes mit New York als Schauplatz auf ähnliche Weise, aber weniger spektakulär, wiederholt. Dazwischen finden sich Szenen im Konzernssitz und im Labor, in dem Tierversuche unternommen werden.

Die verschiedenen Teile passen nicht zueinander, der Film wirkt zusammengestückelt wie ein Flickwerk. Rhythmus, Charaktere und Humor unterscheiden sich von Teil zu Teil. Das Drehbuch wechselt von subtilem Humor, wenn es die koreanischen Mitarbeiter von Mirando zeigt, zu überdrehtem Klamauk in der Figur des von Jake Gyllenhaal gespielten Zoologen. Immer wieder machen sich unmotivierte Längen breit. Die Charaktere haben kaum Tiefgang, auch die Doppelrolle von Tilda Swinton wirkt papieren, die Chemie zu den anderen Darstellern stimmt nicht.

Das Spiel der einzelnen Darsteller, abgesehen von der Hauptfigur Mija und dem Chef der Tieraktivisten, gespielt von Paul Dano, macht insgesamt einen erstaunlich ungeschickten Eindruck. Das liegt vermutlich auch an den einfachen, holzschnittartigen Dialogen. Es scheint kaum vorstellbar, dass der Regisseur von Meisterwerken wie „Barking Dogs Never Bite„, „Memories of Murder„, „The Host“ und durchaus auch „Snowpiercer“ für dieses Werk verantwortlich zeichnet. Die Mischung der Genres Komödie, Action und Horror, die er ansonsten hervorragend beherrscht und die einen Teil des südkoreanischen Kinos überhaupt auszeichnet und deswegen attraktiv macht, funktioniert in „Okja“ nicht. Vielmehr kommt das Gefühl auf, dass hier der Wunsch, ein möglichst breites Publikum zu erreichen, für die Konzeption des Films einzig ausschlaggebend war und die gängisten Hollywood-Muster wiederholt werden.

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Ebenso wenig überzeugend wie die formale Struktur ist die weltanschauliche, poltische Essenz der Parabel, die in ihrer Art wenig originell erscheint, da sich ihrer bereits andere – und erfolgreicher – angenommen haben. Parallelen können gezogen werden zu jüngst erschienen Filmen wie Agnieska Hollands „Spoor“ und Ildikó Enyedis „On Body and Soul„, Preisträger der Berlinale 2017, zudem erinnert die Geschichte frappant an die Handlung des neuen Romans Elefant“ von Martin Suter. Die geschürte Empörung gegen genmanipulierte Viehzucht rennt offene Türen ein und bleibt am Ende trotz allen Horroreffekten seltsam beliebig. Schlachthöfe sind im Übrigen auch dann schwer erträglich, wenn nicht-genmanipulierte Tiere verarbeitet werden.

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So muss „Okja“ als gescheitert angesehen werden. Der Film überzeugt weder als reiner Unterhaltungsfilm noch als aufrüttelndes Manifest gegen die Lebensmittelindustrie und Tierhaltung, geschweige denn als künstlerisch wertvolles Werk.

Teresa Vena

Okja„, Regie: Joon-ho Bong, Darsteller: Seo-hyeon Ahn, Tilda Swinton, Jake Gyllenhaal, Paul Dano, Giancarlo Esposito, ab 29. Juni 2017 bei Netflix

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