„Where Does A Body End?“ von Marco Porsia


Sie alle verdeutlichen, dass sich die musikalische Entwicklung von Swans nicht in ein oder zwei kurzen Sätzen zusammenfassen lässt. Angefangen bei Giras konfrontativer Punk-Attitüde auf „Filth“ in den 80ern, die der Band in den Medien schnell den Ruf der „lautesten Band der Welt“ einbrachte, über seinen gescheiterten Versuch, mit eklatanten Stilbrüchen auf dem Album „The Burning World“ bei einem Major-Label weitere Bekanntheit zu erreichen, bis zur Neuformation und den bisher größten Erfolgen der Band von 2010 bis 2017, beschreiben sie alle das Musikprojekt als komplexes Zusammenspiel von kreativen (Fehl-)Entscheidungen und der persönlichen Weiterentwicklung des Gründers. Dabei hält sich vor allem Michael Gira selbst nicht mit kritischen Worten zur Bandgeschichte und zu seinen eigenen Fehlern zurück. Seine Schilderungen des kritischen und kommerziellen Misserfolgs von „The Burning World“, dessen Schmerz und künstlerische Frustration er mit dem Song „Failure“ in Worte zu fassen versuchte, sowie sein Rückblick auf den übermäßigen Alkoholkonsum in den 90er Jahren, der zu Konflikten mit seiner damaligen Lebensgefährtin Jarboe führte, zählen zu den emotional berührendsten Momenten der Dokumentation. Vor allem an diesen Stellen wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Musik darin etwas mehr Raum eingeräumt worden wäre. Längere Songpassagen, die nicht von Kommentaren im Talking Head-Stil durchbrochen sind, hätten hier auch Einsteiger, welche die Songs von Swans bisher noch nicht kennen, stärker in das Musikerlebnis einbinden können.

Es erscheint erstaunlich, mit welch reflektierter Kraft und Bestimmtheit Michael Gira nach einem Hiatus von über einer Dekade, in dem er sich mit anderen Projekten befasste, ab 2010 mit Swans wieder auf der Bildfläche erschien. Deutlich gereift, mit klaren Vorstellungen seiner Vision, konnte er die Band von da an über einen Zeitraum von sieben Jahren mit fortwährenden Live-Auftritten und vier Studio-Alben zu neuer Größe führen. Den Höhepunkt von Swans in dieser Besetzung markierte ein ausverkauftes Abschlusskonzert in London zusammen mit Gründungsmitglied Thurston Moore. Ein (eventuell vorläufiger) Endpunkt der Bandgeschichte, der auch der Dokumentation einen überaus passenden Schluss beschert. Es ist Regisseur Marco Porsia hoch anzurechnen, dass er diesen Film noch zu Michael Giras Lebzeiten zusammengestellt hat. Dieser kann darin zu Wort kommen und sich eindrucksvoller Weise auch eigene Fehler eingestehen. Dadurch ist „Where Does A Body End?“ keine leere Beweihräucherung einer ikonischen und vielseitigen Band, sondern vor allem das biographische Porträt einer beeindruckenden Persönlichkeit und eines vielschichtigen Künstlers. So kann Michael Gira gegen Ende vollkommen zu Recht behaupten: „I feel like I’ve done and am doing something worthwhile with my life.“

Henning Koch

„Where Does A Body End?“, Regie: Marco Porsia, Mit: Michael Gira, Thurston Moore, Jarboe, Ben Frost, Karen O, Amanda Palmer, Blixa Bargeld, Jehnny Beth

Pop Kultur 2019

„Where Does A Body End?“ ist am 22. August bei Pop Kultur im Kino in der Kulturbrauerei zu sehen.

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