„The Opening of Misty Beethoven“ von Radley Metzger
Nicht nach dem ersten Kaffeekränzchen
Der Porno funktioniert ähnlich wie eine Maschine: nur unter der Bedingung eines störungsfreien Verlaufs. Seine eigentümliche Grenze ist der Verschleiß, nicht die Störung. Es ist erstaunlich, dass in einem Metier wie dem Porno auch Regisseure operierten, die ein gewisses Gespür für das Sinnliche mitbrachten. Radley Metzgers „The Opening of Misty Beethoven“ gilt als Genreklassiker. Das wirkt in einer Profession, die durch die Darstellung von falschen Emotionen mit dem Mittel des extremen Close-Ups arbeitet, fast beunruhigend. Selbstredend sublimiert dieser Streifen die allgemeinen Vorstellungen einer erotischen Begegnung zu einem Klischee, jedoch sind die Liebesakte bei gleichzeitiger Verbreitung eines dehumanisierten Frauenbildes und Verdinglichung von Sexualität durchaus dramaturgisch gestaltet. Anilingus findet hier nicht nach dem ersten Kaffeekränzchen statt, noch nicht einmal nach dem zweiten. Das Pornokino der frühen Siebziger ist interessant, schon weil hier mit wenig Geld richtige Filme gemacht wurden. Wie jede superkommerzielle C-Sektion der Kulturindustrie bringt auch die frühe Pornobranche verstohlene Effekte und spannende filmische Lösungen für Probleme hervor, die niedrige Budgets eigentlich gar nicht lösen können. So gesehen ist Radley Metzger auch ein Nachfolger rabiater Exploitation-Filmer der Fünfziger und Sechziger.
„The Opening of Misty Beethoven“ ist einer der ersten Pornofilme mit einer eigens für ihn komponierten Musik und gibt der Jump-Cut-Komposition der Aufnahmen eine Struktur, so dass Tempo und Rhythmus an geeigneten Plätzen so gekonnt variieren, dass der Film trotz des allzu profanen Inhaltes spannend bleibt. Das waren noch Zeiten, als man eine Vagina gar nicht so leicht zu sehen bekam. Durch ihre Marginalisierung attestierte man ihr, ob nun zu recht oder unrecht, einen vehementen gesellschaftspolitischen Einspruch. Dabei eröffnet der Film beinahe mainstreamtauglich: Kostüme, Gestus und ein Gespräch über Ehebruch und Homosexualität . Doch Misty läuft, wie es sich für eine Wunschmaschine ziemt, von Anfang an als Gestörte herum. Sie ist zugleich Maschinenteil und Treibstoff. Ihren Filmpartner Dr. Seymour Love vertraut sie einmal an: „Misty isn´t my realy name. I changed it to sound more important.“ Daraufhin orientiert sich Seymour: „From what?“ Misty spart sich vom Mund ab: „Dolores Beethoven“. Darauf wären wir doch alle gekommen.
Joris J.
PS: Beim kommenden Pornfilmfestival, das vom 24. bis 28. Oktober im Moviemento stattfindet, wird es eine ausführliche Radley Metzger-Retrospektive geben. Infos zum Programm der kommenden Ausgabe folgen in den kommenden Tagen.
„The Opening of Misty Beethoven“ Radley Metzger, Darsteller: Constance Money, Jamie Gillis, Jacqueline Beudant; Pornfilmfestvial Warm Up 11. oktober, 20 Uhr, Kino Moviemento
http://www.youtube.com/watch?v=IuzeSD8Vz-8