„Schönefeld Boulevard“ von Sylke Enders
Eine Frage der Haltung
Schon Rainald Grebe stellte treffend fest: „Es gibt Länder, wo richtig was los ist. Und es gibt Brandenburg.“ Leider betrifft das, trotz ihrer geografischen Nähe zur Hauptstadt, auch die Gemeinde Schönefeld. Hier ist nämlich genauso wenig los wie im restlichen Brandenburg. Daran ändert auch der geplante BER-Flughafen nicht viel, der – folgt man einer scherzhaften Facebookveranstaltung mit bereits über 123.000 angemeldeten Gästen – ohnehin erst am 1. April 2026 eröffnen wird. Es sei denn natürlich, man tauscht kurzerhand Hartmut Mehdorn gegen Chuck Norris ein.
Entsprechend viel Langeweile gibt es also in Schönefeld. Wer volljährig ist und den Schulabschluss in der Tasche hat, sucht schleunigst das Weite. Cindy ist 18 Jahre alt und macht gerade das Abitur. Was sie danach machen will, weiß sie noch nicht. Überhaupt ist sie in vielen Dingen sehr unsicher, denn Cindy ist dick und hat überhaupt kein Selbstbewusstsein. Genaugenommen heißt sie auch nur „Cindy II“, denn das Recht auf die Nummer 1 beansprucht die hübschere, dünnere und coolere Cindy aus ihrer Klasse. Die wiederum gibt vor, ihre Freundin zu sein, nutzt aber jede Gelegenheit, um ihre Namensvetterin zu demütigen und ins offene Messer laufen zu lassen. Cindys einzigen, echten Freunde sind ihr Kumpel Danny und ihr Hund Werner. Den Köter haben ihr ihre Eltern aber nur gekauft, „weil er so hässlich ist, dass er von Cindy ablenkt“. Das sagt zumindest Danny. Aber er meint es nicht so.
Sylke Enders sommerliches Provinzdrama „Schönefeld Boulevard“ rüttelt Erinnerungen an die eigene Pubertät wach, die individuell mal mehr und mal weniger glücklich verlaufen ist. Die sozialen Begleitumstände beim Eintritt ins Erwachsenenalter folgen schließlich stets denselben Regeln: Hierarchien und Splittergruppen organisieren den Teenageralltag, Cliquen werden gebildet, Alphatiere beanspruchen die Spitze des sozialen Rankings, während Omegahühner verschmäht und verunsichert in der Ecke des Pausenhofs stehen. Eine zuweilen erbarmungslose Zeit, die nicht mal als Prognose für zukünftige Entwicklungen herhält. Im Gegenteil: Jüngst hat eine Studie ergeben, dass sich die einstigen Coolen von der Schule im Erwachsenhalter häufig in der Loserecke wiederfinden. [Vgl. Berliner Zeitung: „Coole Jugendliche haben es später oft schwerer„.]