„She Said Boom: The Story of Fifth Column“ von Kevin Hegge


"She Said Bom" fixiert auf ein durchaus unordentliches Zeitgefühl. Foto: Pornfilmfestival Berlin

"She Said Bom" fixiert auf ein durchaus unordentliches Zeitgefühl. Fotos: Pornfilmfestival Berlin

In Torontos Kellern

Unvorstellbar – da sitzt diese Frau, Caroline Azar ihr Name, vor bunten Plastikdesserts und strahlt und spricht und strahlt. Und nein, Azar ist keine Süßwaren-Vertreterin in Sachen Lemon Bars und Zuckerstange. Sie ist Teil einer doch recht krawalligen Urformation, einer Punkband, die in den 80er und 90er Jahren mal mehr und mal weniger an die Oberfläche gespült wurde – und von der heute nicht mehr viel übrig ist als dieses: alte Fanzines, ein paar Veröffentlichungen auf Kassetten-Compilations und Soundtracks, vornehmlich von Experimentalfilmen, die auf eine noch kleinere Kennerzahl stoßen dürften. Die Band, um die es hier gehen soll, hinterließ aber bei weitem mehr. Fast könnte man von einem Mythos sprechen, insbesondere dann, wenn man um die Bedeutung jener Caroline Azar mitsamt Kumpaninnen weiß. Denn für eine darauffolgende Generation weiblicher Musikerinnen jenseits des lukrativen Popgeschäfts, sorgten diese Damen für reichlich Abarbeitungsmaterial, über Jahre und auch heute noch. Die Rede ist von: Fifth Column, der kanadischen Queer-Girl-Punk-Experimental-Band. Ihr hat Regisseur Kevin Hegge einen ganzen Film gewidmet, der jedem ans Herz gelegt sei, der sich auch nur ein kleines bisschen für Subkultur interessiert.

Anhand von Footage-Material, das zu großen Teilen von der gar nicht mal so unbekannten G.B. Jones – ebenfalls Gründungsmitglied und maßgeblicher Bestandteil von Fifth Column, stammt und diversen Interviewschnipseln ehemaliger Mitglieder und deren Dunstkreis, gelingt „She Said Boom: The Story of Fifth Column“ ein doch recht lebhaftes Portrait der kanadischen Band, die fast besser als „Langzeitprojekt mit ausschweifender künstlerischer Ambition“ beschrieben wäre. Darüber hinaus vermag „She Said Boom“ aber noch mehr: Die Dokumention fixiert ein durchaus unordentliches Zeitgefühl, den Rappel einer Generation junger Frauen, für die es im Toronto der frühen 80er Jahren wenig Andockpunkte gab und die sich ihr künstlerisches Wirkungsfeld in schönster DIY-Attitüde einfach selbst erschloss. So lernten sich G.B. Jones und Azar beispielsweise in jener bunten Konditorei kennen, in der Azar heute, einige Dekaden später, womöglich sitzt und Anekdote an Anekdote klatscht. Glaubt man den Erzählungen, stieß wenig später auch der umtriebige Bruce LaBruce hinzu und wurde direkt als Gogo-Tänzer für Fifth Column-Bühnenshows engagiert. LaBruce und die bereits angedeuteten Filmsoundtracks der Band verweisen auch auf einen Aspekt, der für das Schaffen von Fifth Column eine zentrale Rolle spielte: Die mal konzeptuelle, dann spontane Verquickung zwischen Bild und Ton. Beiden, LaBruce, damals noch Student an der Filmhochschule, und G.B. Jones ist es zu verdanken, dass „She Said Boom“ keiner Aneinanderreihung von Talking Heads gleichkommt, sondern zu großen Teilen von diesen charakteristisch-tollen Super 8-Aufnahmen lebt. Die ehemals fruchtbare Verbindung LaBruce/Fifth Column zerschlug sich jedoch recht bald.

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