„Stories We Tell“ von Sarah Polley


Regisseurin Sarah Polley geht mit dem Dokumentarfilm "Stories We Tell" der eigenen Familiengeschichte auf den Grund. (c) FuGu

Regisseurin Sarah Polley geht mit dem Dokumentarfilm „Stories We Tell“ der eigenen Familiengeschichte auf den Grund. (c) FuGu

Die Wahrheit ist relativ

Auch mit ihrem dritten Film „Stories We Tell“ beweist Sarah Polley, dass sie eine Meisterin im Geschichten erzählen ist. Beziehungen sind das Thema der kanadischen Schauspielerin und Filmemacherin Sarah Polley. In ihren ersten Dokumentarfilm widmet sie sich nun der Aufarbeitung ihrer eigenen Familiengeschichte und wirft einen unterhaltsamen wie auch melancholischen Blick auf die Beziehung ihrer Eltern und das Leben ihrer Mutter, die sehr früh verstarb und viele Fragezeichen hinterließ.

Sarah Polley vermag es immer wieder zu verblüffen. Bereits in ihrem Erstlingswerk „An ihrer Seite“ (2006), einer Geschichte über Trauer und Abschiednehmen, berührte Polley auf eine Weise, wie man sie nicht allzu oft im Kino findet. Das brachte ihr prompt eine Oscar-Nominierung ein und bescherte ihr internationale Aufmerksamkeit als Regisseurin. Bis dato hatte sich die Kanadiern vor allem als Schauspielerin in Filmen wie „Mein Leben ohne mich“ (2003) einen Namen gemacht.

Szene aus der Doku "Stories We Tell" von Sarah Polley. (c) Fugu

Szene aus der Doku „Stories We Tell“ von Sarah Polley. (c) Fugu

Ihr zweiter Film, die bittersüße Tragikomödie „Take This Waltz„, stand dem Debüt in nichts nach, auch wenn Polley hier nicht nur das Genre wechselte, sondern zugleich mit ihrer Erzähl- und Inszenierungsweise zeigte, dass sie ihr Handwerk wirklich versteht. In beiden Filmen standen langjährige Beziehungen im Mittelpunkt, die Polley ganz unterschiedlich einbettete und bearbeitete. In ihrem nun vorliegendem, drittem Film „Stories We Tell“ beschäftigt sich die 35-Jährige mit einer langen Beziehung, dieses Mal mit der ihrer Eltern. Ihre Mutter Diane verstarb als Polley gerade elf Jahre alt war. Seither formten Mythen und Erzählungen von ihrem Vater Michael, ihren älteren Geschwistern, Freunden und Weggefährten das Bild der Mutter.

Anfangs noch von Neugier getrieben, wandelt sich Polleys familiäre Spurensuche zunehmend in einen Reflexionsprozess, der nicht nur das Geschichtenerzählen sondern auch das Medium selbst hinterfragt. Immer wieder rückt sie die Kamera ins Bild, macht den Film als Film sichtbar und auch ihren eigenen Kampf mit der Frage, wie sie die Geschichte überhaupt erzählen soll bzw. kann. Immer wieder bezieht sie ihren Vater oder auch den Liebhaber ihrer Mutter in diesen Prozess mit ein. Sie mischt Archivmaterial mit Aufnahmen, in denen sie Ereignisse von damals nachstellt. Wenn das Archivmaterial Lücken aufweist, lässt Polley Schauspieler innige Momente zwischen ihren Eltern, ein Familienessen kurz nach dem Tod von Diane oder auch die Trauerfeier, nachspielen. Der krisselig-alte Charme der in Super-8 produzierten Aufnahmen lässt schon bald die Inszeniertheit des Ganzen in den Hintergrund rücken.

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