THE SUNLIT NIGHT von David Wnendt


The Sunlit Night © W-Film

Verletzliche Künstlerinnenseele

Der deutsche Regisseur David Wnendt ist, betrachtet man seine Biografie, ein richtiger Kosmopolit. In seinem neuen Spielfilm spiegelt sich dies nun auch in der Wahl des Schauspielerensembles, in den Schauplätzen und in den kulturellen Anspielungen wider. Er ist der Autor von Filmen wie KRIEGERIN, 2011, FEUCHTGEBIETE, 2013 und ER IST WIEDER DA, 2015, die noch in Deutschland produziert wurden, und hier ihren, recht beachtenswerten, Erfolg feierten. Eine Vorliebe fürs Komische und ein Interesse für Liebeskonstellationen vereinigen die Themen seiner Werke. Und auch im neuen führt Wnendt einen stellenweise auf eine Gratwanderung zwischen geistreicher (Selbst-)Ironie und eher peinlicher Naivität bis hin zu als Tabubruch getarnte Geschmacklosigkeit.

THE SUNLIT NIGHT beginnt mit einer Sexszene. Eine Sexszene zwischen Frances (Jenny Slate), eine junge, unsichere Künstlerin und ihrem Verlobten – kurz bevor er sie, nachdem sie für den Umzug mit ihm nach Japan ihre Künstlerresidenz in Norwegen aufgegeben hat, mit einer anderen Frau ersetzt. Während des Aktes hören wir Frances hohe, nasale Stimme – die einem doch leider recht schnell auf den Nerv drückt –, wie sie sich einem vorstellt. Eigentlich eine ganz sympathische junge Frau. Und das bleibt sie im Grunde auch bis zum Schluss. Die zweite Sexszene kommt fast zum Ende des Films – und ist genauso überkonstruiert und unnötig. Schafft man es, weiter als die vielen Manierismen zu schauen, die der Film nutzt und die ihn geschmäcklerisch machen, findet man durchaus verschiedene sehenswerte Stellen.

Von New York verschiebt sich die Handlung nach Norwegen und hier sind schöne Landschaftsaufnahmen entstanden sowie ein paar anrührende Szenen zwischen Frances und ihrem älteren Malerkollegen Nils. Dieser entspricht vielleicht ein bisschen zu sehr dem Klischee des wortkargen, dem Alkohol zugewandten Skandinaviers, aber wird von Fridtjov Såheim überzeugend und charismatisch gespielt. Absoluter Höhepunkt des Films ist das Präsentationsvideo des Wikingermuseum des Ortes. Wie das immer so ist bei solchen Dingen, gibt es einen Typen, der die Rekonstruktion der Lebensverhältnisse, hier, der Wikinger zu ernst nimmt und sich mit seiner Doktrin lächerlich macht. In diesem Fall wird dieser „Freak“ vom US-amerikanischen Komiker-Schauspieler Zach Galifianakis gespielt. Schade, dass die „Wikinger“ so gar keinen Bezug zur Hauptfigur entwickeln und nur als Witzfigurenstaffage dienen – und als Legitimierung für die Liebesgeschichte.

Eine stärkere Einbindung dieses Wikinger-Themas, die eine Auseinandersetzung mit Konzepten wie Moderne und Tradition, zwischen Original und Replikat und auch zwischen Außen- und Selbstbild begünstigt hätte, hätte dem Film gut getan. Stattdessen liegt das Augenmerk von THE SUNLIT NIGHT auf der, wahrlich nicht spektakulären, Liebesgeschichte. Zwischen den Liebenden besteht kaum Reibung, Kontrast und selbst einen richtigen Funken sucht man vergebens. Die Identitätskrise der Hauptfigur wirkt genauso wenig originell, spult der Film hier doch Motive ab, die man längst kennt. Abgesehen von ein paar schlagfertigen Repliken ist das Drehbuch zu lieblich, zu nett in Teilen, in anderen, wirken die Dialoge äußerst forciert, wenn beispielsweise sich die beiden Schwestern Frances und Gaby über das Sexleben ihrer Eltern unterhalten oder Justus von Dohnányi und Gillian Anderson im Norden aufkreuzen und ein blasiertes, reiches russisch-schweizerisches Ehepaar geben.

Viel Kitsch also, und viel Prätention, die den Film zu dicht machen, ohne dass die einzelnen Elemente ihre Wirkung entfalten können. Das gemeinsame Kunstprojekt von Frances und Nils, die Bemalung einer Scheune mitten im Nichts, hätte etwas Erhabenes haben können, hätte man dem mehr Raum gelassen. Auch die Episoden im Supermarkt hätten geradezu Kultpotential, würden sie nicht durch eine Fülle von Dialogen banalisiert. Straffung, Kürzung und mehr Mut zur Lakonik hätte es in erster Linie bedurft. Eine gewisse Orientierung an Filmen wie sie Woody Allen zu machen pflegt, in denen die Protagonisten viel rhetorisch über sich und ihre Umgebung nachdenken, lässt sich nicht übersehen. Die Geschichte hat sogar einen Bezug zur jüdischen Gemeinde New Yorks. Doch ähnelt THE SUNLIT NIGHT, wenn schon, vielmehr den letzten, gefälligeren Filmen Allens, als dessen frühen Meisterwerken.

Teresa Vena

THE SUNLIT NIGHT, Regie: David Wnendt, Darsteller: Jenny Slate, Fridtjov Såheim, Alex Sharp, Zach Galifianakis, Justus von Dohnányi, Gillian Anderson, Kinostart: 23. September 2021