„Tomorrow is always too long“ von Phil Collins



Die Einbindung des Zuschauers in dieses trostlose Geschehen ist dort am stärksten, wo hineingeschnittenes Late-Night-TV den Erzählstrang unterbricht – wo ein einsamer Mann davon spricht, jemanden streicheln zu wollen, zwei Frauen ihre Fassungslosigkeit über eine Razzia in einem Asylbewerberheim äußern oder die fabelhafte Kate Dickie (die die bösartige Lisa Arryn in Game of Thrones verkörperte) als Wahrsagerin in den Bildschirm faucht. Ihr Monolog ist im Grunde auch das Herz des Films, der unsere Konsumkultur, und unseren Individualismuskult zutiefst anprangert: „Du hast dich in die Oberfläche zurückgezogen,“ schreit Kate Dickie, „Welche Gewalt kann einem denn ein Emoticon antun?!“

Das alles hätte ein cineastischer Zornapfel, ein apokalyptischer Weckruf werden können, doch die Zusammenstellung des Materials wirkt seltsam leblos. Vielleicht liegt es an der Teilnahmslosigkeit der im Grunde austauschbaren Charaktere, vielleicht auch an der Kameraführung, die die Aussichtslosigkeit und Hässlichkeit des Alltags so gnadenlos vorführt (nicht umsonst führe Michael McDonough schon bei „Winter’s Bone“ die Kamera), aber „Tomorrow is always too long“ bleibt eher ein persönliches, schräges Essay, als eine mitreißende Stadtsymphonie. Da helfen auch das großartige Royal Scottish National Orchestra, die interessanten Kompositionen von Cate Le Bon und der unverkennbare Mogwai-Sound von Barry Burns nicht. Mit Zynismus und Bitterkeit allein kann man eben weder Herzen erweichen, noch Mitstreiter für die Revolution gewinnen.

Marie Ketzscher

Tomorrow is Always too Long„, Regie: Phil Collins, DarstellerInnen: Matthew Robins, Kate Dickie, Kinostart: 17. März 2016

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