„Zero Days“ von Alex Gibney


Die Doku "Zero Days" zieht uns in eine Cyberrealität hinein, wo Gefahren wie STUXnet lauern. © Stuxnet Documentary

Die Doku „Zero Days“ zieht uns in eine Cyberrealität hinein, wo Gefahren wie STUXnet lauern. © Stuxnet Documentary

Nullpunkt

Ob utopische Fantastereien oder die dramatische Rückschau auf historische Katastrophen, das Kino liebt Weltuntergangsszenarien. Während sich die einen eher in spektakulären Actionkrachern apokalyptisch entladen, erinnern die anderen meist mit mahnendem Gestus an düstere Vergangenheiten. Zur Überwindung der Desaster dienen (Super-) Helden oder schlicht der Faktor Zeit, auch wenn letzterer häufig eher in ambivalenter Form in Erscheinung tritt, schließlich ist er oft ein zusätzlicher Gegner im Kampf gegen das Weltende.

Im digitalen Zeitalter ist der Wettlauf mit der Zeit fast schon eine im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammierte Größe. Stehen doch geradezu sinnbildlich in ihrer Namensgebung die ‚zero days-exploits‘ – die Sicherheitslücken im System oder einer Software, die zeitgleich mit ihrer Entdeckung für Cyberattacken genutzt werden – für den Zeitmangel, der IT-Experten bleibt, um das Schlimmste abzuwenden. Alex Gibney („Going Clear: Scientology And The Prison of Believe„, „We Steal Secrets: Die Wikileaks Geschichte„) beschreibt in seiner Doku „Zero Days“ ein Katastrophenszenario, das mit ungeheurer Durchschlagkraft 2010 die Schwelle zwischen virtueller und physischer Welt bereits überschritten hat.

Vor sechs Jahren entdeckten Antiviren-Experten aus Weißrussland und den USA den sich selbst replizierenden Computerwurm „Stuxnet“. Dieser schien so komplex und fehlerlos programmiert worden zu sein, wie es ohne entsprechene Manpower und Zeit unmöglich gewesen wäre. Die Netzdetektive Sergey Ulasen, Eugene Kaspersky und Vitaly Kamluc (Kasperky Labs) sowie Eric Chie und Liam O’Murchu von Symantec und Ralph Langner waren auf modernstes Kriegsgerät gestoßen, das darauf spezialisiert war, perfekt getarnt die Kontrolle von Maschinen in einigen iranischen Urananlagen zu übernehmen und deren Selbstzerstörung auszulösen.
Wer hinter der Entwicklung dieses Computerwurms steckt, darüber wird trotz erdrückender Faktenlage bis heute geschwiegen. „Stuxnet“ – innerhalb der Geheimdienste auch mit dem Decknamen „Olympic Games“ bezeichnet – ist offenbar nur ein Teil einer groß angelegten Operation, die sich „Nitro Zeus“ nennt.
Ziel dieser völlig im Geheimen ablaufenen Mission ist es, einerseits Cyberbomben zum Einsatz gegen sensible, zivile Infrastrukturen jeglicher Art, wie z.B. Banken, Wasserkraft-, Stromnetzwerke oder bspw. Verkehrssysteme zu bringen und andererseits das Ausschalten von iranischen Wissenschaftlern.

Gibney und seinem Team gelang es zu belegen, dass die USA, mit CIA und dem US Cyber Command und der israelische Geheimdienst Mossad hinter der gewaltigen Militäroperation standen. Als „Stuxnet“ – das Wort ist eine Kreation aus den im Code immer wieder auftauchenden Begriffen „stub“ und „Mrxnet.sys.“, vermutlich durch den Mossad und ohne Absprache mit den US-Geheimdiensten zu einer sehr viel aggressiveren Variante umgewandelt wurde und als Malware ins Netz gelangte, konnte der Virus schließlich entdeckt werden. Die Dimension dieser realen Bedrohung, die von diesem nun im Netz als Blaupause vorliegenden Computerwurm ausgeht, lässt die dystopischsten Sci-Fi-Fantasien Wirklichkeit werden. Die Büchse der Pandora steht offen. In der Zwischenzeit rüsten etliche Staaten in Sachen Cyberarmee auf und erinnern an die persönliche Notfallvorsorge in der Vorratskammer.

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