ZIKADEN von Ina Weisse


ZIKADEN © Judith Kaufmann / Lupa Film
ZIKADEN © Judith Kaufmann / Lupa Film

Wo bleibe ich, wenn ich mich ständig um Andere kümmern muss?

Vielleicht ist das die zentrale Frage in ZIKADEN, dem neuen Film von Ina Weisse. Wo bleibe ich, wenn meine Eltern plötzlich meine Unterstützung brauchen und mein despotischer Vater nicht mehr alleine zur Toilette kann, aber mit seiner Art eine Pflegekraft nach der anderen vertreibt? Wo bleibe ich, wenn ich mich abrackere, um mich und mein Kind zu versorgen, ich mich dadurch aber nicht um mein Kind kümmern kann?

Isabelle und Anja könnten nicht unterschiedlicher sein. Isabelle ist Immobilienmaklerin für Luxusimmobilien, sie fährt nur in das kleine Dorf außerhalb Berlins, um sich um das Wochenendhaus ihrer Eltern zu kümmern. Gleich zu Beginn des Filmes fallen sie und ihre Eltern mit einer ganzen Entourage ein. Anja lebt hier. Sie hat eine kleine Tochter und kämpft um einen Arbeitsplatz, der sie beide ernährt. Die beiden Frauen begegnen sich immer wieder wie zufällig. Sie sind sich auf Anhieb sympathisch, manchmal knistert es auch ein bisschen zwischen ihnen.

Isabelles Eltern können nicht mehr für sich selbst sorgen. Ihr Vater sitzt nach einem Schlafanfall im Rollstuhl, ihre Mutter schafft es nicht mehr, sich um ihn und den Haushalt zu kümmern. Doch eine geeignete Pflegekraft zu finden und zu koordinieren ist gar nicht so einfach. Darunter leidet dann auch Isabelles Ehe. Anja verliert ihren Job und muss einen neuen finden. Doch das ist gar nicht so einfach, vor allem mit Kind. Ihre Tochter Greta ist stundenlang ohne Aufsicht in den Straßen, Ruinen und Wäldern der Umgebung unterwegs. So muss Anja schlechte Arbeitszeiten, einen übergriffigen Chef und andere Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. Anja und Isabelle freunden sich Schritt für Schritt an. Wenn sie zusammen sind, wirken beide entspannter, gelassener und glücklicher. Dann geht es wieder um die Frauen und nicht um das Chaos, das sie tagtäglich stemmen müssen.

Starkes Ensemble und ein großes Geschenk

So zufällig, wie sich die beiden begegnen, läuft vieles in diesem Film. Immer wieder werden Situationen angeteasert, die nicht zu Ende erzählt werden. Wahlweise gibt es auch Sprünge in der Geschichte, sodass man als Zuschauer_in ständig damit beschäftigt ist, Lücken zu füllen. Vieles bleibt dabei unlogisch, die Dialoge sind etwas hölzern und wirken teilweise konstruiert. Was heraussticht, ist die schauspielerische Leistung des gesamten Ensembles. Nina Hoss ist als Isabelle gewohnt intensiv, man schaut dieser Frau einfach gerne zu. Und auch Saskia Rosendahl verleiht ihrer Figur eine würdevolle Stärke. Besonders beeindrucken die Szenen mit Isabelles Eltern, was wohl daran liegt, dass hier keine Schauspieler_innen am Werk sind, sondern die Eltern der Regisseurin des Films, Rolf und Inge Weisse. Rolf Weisse ist auch im echten Leben bekannter Architekt und von einem Schlaganfall gezeichnet. Ein mutiges, großes Geschenk an ihre Tochter.

ZIKADEN; Regie: Ina Weisse; Darsteller_innen: Nina Hoss, Saskia Rosendahl, Vincent Macainge; Kinostart: 19.Juni 2025