Kosslick-Sommer Interview Teil 2


Im ersten Teil unserers Sommer-Interviews mit Berlinale-Chef Dieter Kosslick verriet er uns, dass die Zusammenstellung der Sommer Berlinale für ihn und sein Team wie ein „ein Memory-Spiel“ war und wie sich die Berlinale im Vergleich zu internationalen Festivals positioniert. Im zweiten Teil erklärt er uns sein Verhältnis zu anderen nationalen Filmfesten, wie dem in Hamburg und wie er die üppige Berliner Filmfestival-Landschaft beurteilt…

Die Berlinale erschafft Publikumserfolge. Der Einfluss auf die Programmierung spiegelt sich auch in anderen Filmfestivals wieder. Beim „Festival des deutschen Films“ (Unser Bericht dazu hier) in Ludwigshafen feierte jeder der dort ausgezeichneten Filme seine Premiere auf der Berlinale…
Kosslick:
Tatsächlich!?! Da hat sich dann Herr Kötz (Anm. Festivalleiter „Festival des deutschen Films“), der auf dem Parkett auch immer sehr stark auftritt, ein schönes Festival zusammengestellt.

Welche anderen Festivals in Deutschland sind Ihnen ans Herz gewachsen?
Kosslick:
Ich gehe nicht mehr so häufig auf Festivals wie früher. Dennoch sind einige Festivals für uns „wichtig“, weil sie eine bestimmte Klientel haben, wie nach wie vor das Hofer Filmfest mit dem wir uns auch nicht in Konkurrenz sehen. Deren Festivalleiter Heinz Badewitz ist ja auch bei der Berlinale mit dabei und wir versuchen etwas für den deutschen Film zu machen. Das habe ich auch schon besucht, als ich früher noch Filme finanziert habe. Das Filmfest in Hamburg ist für uns wichtig, weil das eine Medienmetropole ist, aus der nicht nur gute Filme kommen, wie Fatih Akins „Gegen die Wand“, der auch auf anderen Festivals reüssiert hat, sondern auch Regisseurinnen wie Hermine Huntgeburth. Zu dem Festival habe ich durch meine Zeit in Hamburg auch noch persönliche Verbindungen. Dazu ist für uns das Filmfestival in Cottbus sehr wichtig, da wir dort viele Filme aus ost-europäischen Ländern sehen, wo wir Trends sehen und Kontakte machen. Wir hatten nach der Wende Probleme, aus den ehemaligen Ostländern neue Filme zu bekommen, dabei gibt es eine lange Tradition bei der Berlinale. Das hat sich geändert und in diesem Jahr hat der russische Beitrag „Kak ya provel etim letom“ („How I Ended This Summer“ von Alexei Popogrebsky) gleich zwei Preise bekommen, ein großer Erfolg für die ehemalige Sowjetunion.

Berlin erfreut sich an seinen weit über 50 Filmfestivals, Filmwochen und regelmäßigen Filmreihen. Wie beurteilen Sie die Festivallandschaft in Berlin?
Kosslick:
Das ist doch toll! Die Begeisterung bei der Berlinale wäre ohne diese ganzen Festivals, Filmwochen und Filmreihen sicher weniger groß. So wird ein Publikum für den anspruchsvollen Film, den Arthouse-Film auch gepflegt. Dadurch sind auch die Kinos als Veranstaltungsort immer präsent. Das ist eine ganz wichtige Sache. Bei der diesjährigen sechzigsten Geburtstags-Berlinale waren eine Neuerung die „Kiez-Kinos“. Die sind gelaufen wie die Feuerwehr. Ich war bei zwei dieser Aufführungen, das war grandios! Ich war in Friedrichshagen am Müggelsee, da sieht man, dass es in ganz Berlin ein total filmbegeistertes Publikum gibt. Das es Cinephilie gibt. Ich finde das super. Lasst 1.000 Festivals blühen und 500.000 Filmwochen machen. Wenn alles in Berlin so schön wäre, wie die Filmwochen und Festivals, wäre die ganze Welt auch schöner.

Sie waren letztes Jahr bei interfilm. Stehen Ihnen manche Festivals näher?
Kosslick:
Es gibt Initiativen, denen fühlen wir uns verbunden. interfilm ist DAS Kurzfilmfestival. Dort stellen wahnsinnig engagierte Leute mit geringen Mitteln ein großartiges Programm auf die Beine. Ich möchte die unterstützen, weil ich nicht vergessen habe, wie schwierig das damals in Hamburg mit der Hamburger Filmschau war. Für mich ist es eine Ehrensache solche Festivals zu besuchen und mich für sie einzusetzen.

Bei all der Vielfalt, welches Festival, welche Reihe würden Sie sich wünschen?
Kosslick:
Darüber denken wir jeden Tag nach. Das ist exakt die Frage, die wir uns jeden Tag stellen, um die nächste Berlinale zu programmieren. Was ist – und das nicht nur im Zusammenhang mit Berlin, sondern mit den Festivals weltweit – noch nicht da gewesen? Dabei geht es nicht um Konkurrenz, sondern um die Ideen-Konkurrenz. Wer macht zuerst eine Ingmar Bergman Retrospektive, wer von Buñuel, wer eine erste 3D-Retrospektive, Filme aus Afghanistan… Dazu kann ich nichts sagen, das ist unser tägliches Brot.

Sie haben einige Festivals und Berlinalen hinter sich. Wann ist für Sie ein Festival ein gelungenes Festival?
Kosslick:
Sie müssen so gelaufen sein, wie die Berlinalen gelaufen sind. Die sind häufig von Euphorie getrieben. Oft lässt sich das auch daran ablesen, welche Filme ausgezeichnet wurden. Das wichtigste ist ein anspruchsvolles Programm, bei dem viele Zielgruppen auf ihre Kosten kommen. Oft wird über den roten Teppich und die Stars gesprochen, aber man darf nicht vergessen, dass wir fast 400 Filme in unseren zehn Reihen zeigen und noch einmal 600 Premieren im Filmmarkt. All das zusammen erzeugt diese „Stimmung“, wie einmal eine französische Zeitung das Wort übernommen hat, um die Berlinale zu umschreiben. Diese Stimmung wird natürlich auch von der Kritik beeinflusst und dadurch beeinflusst, welcher Film ausgezeichnet wird. Abzulesen an Cannes, wo es im Wettbewerb nicht so lief, aber dann alle zufrieden waren, als der thailändische Regisseur Apichatpong Weerasethakul gewonnen hat. Es ist ein riesiges Medienereignis, was nicht zu kontrollieren ist. Wir können nur versuchen mit einer gewissen Dramaturgie über zehn Tage die Spannung zu halten. Am Ende ist mir sehr wichtig, dass das Publikum kommt und wir dem Publikum auch Lust gemacht haben, an den restlichen 355 Tagen des Jahres ins Kino zu gehen. In diesem Jahr hat mir die Tatsache, dass niemand im Team krank war und jeder gerne noch eine Woche weitergemacht hätte, gezeigt, dass es auch für uns als Team gut gelaufen ist.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.