achtung Berlin 2011: Festivalbericht


Filmszene: "The Other Chelsea"

Filmszene: "The Other Chelsea"

Mannschaft gekauft

Den schon in Saarbrücken beim Max-Ophüls-Festival ausgezeichneten Dokumentarfilm „The Other Chelsea“ hatten sicher einige beim Fußballfilmfestival 11mm vor einem Monat erwartet. Spielt doch schon der Filmtitel auf ein im modernen Profifußball immer beliebteres Modell von Oligarchen an, die sich das teure Hobby Sport gönnen. Jakob Preuss hangelt sich in seiner Dokumentation an der Europapokal-Saison von Schachtjor Donezk entlang, die im Gewinn des UEFA-Cups (gegen Werder Bremen) gipfelte. Der Verein aus dem Osten der Ukraine lebt von den Zuwendungen seines Präsidenten, dem Unternehmer und Milliardär Akhmetow, der sich ähnlich wie Roman Abramowitch beim Londoner FC Chelsea – daher auch der Filmtitel – einen Verein als Luxusspielzeug gönnt. Wobei sein Einfluss in Donezk noch weitere Dimensionen einschließt, da Akhmetow mit seinem Geld aktiv die Politik des alten sowjettreuen Regimes unterstützt. Der eloquente Jurist Preuss, einst als Wahlbeobachter in der Ukraine, berichtet im Publikumsgespräch, dass „der Klubpräsident den Film sehr gut findet“ und dass „die Premiere in Kiew mit 700 Besuchern ausverkauft war„. Und dennoch steigt seine Nervosität mit Blick auf den anstehenden Besuch in Donezk. „Die Ukraine ist kein Rechtsstaat„, sagt er und gibt eine Anekdote zu Kolya, einem Partei-Günstling Akhmetows und eine der Hauptfiguren seines Films zum Besten, der ihn besuchte, weil er „Angst hatte sich verquatscht zu haben„. Nicht ganz unbegründet, lässt sich doch in dessen Rolle die Korruption der Ukraine ablesen, in der mittlerweile neun Minister der alten Regierung im Gefängnis sitzen.

Einer der wohl eindrücklichsten Filme des vergangenen Festivals ist Verena S. Freytags „Abgebrannt“ gelungen, für den die Regisseurin bei der Preisverleihung am vergangenen Mittwoch (20. April) den „Berlin New Film Award“ in der Kategorie „Bester Spielfilm“ gewann. Ihr Sozialdrama war eine der reserviertesten Arbeiten im Festivalwettbewerb, und das, obwohl Freytag mit ihrer Geschichte eines der bewegendsten Themen der Hauptstadt aufgreift: Arbeitslosigkeit und soziale Isolation.Die Regisseurin erzählt die Geschichte der jungen Mutter Pelin, die mit ihren drei Kindern in Berlin Wedding lebt und die ein Schicksalsschlag nach dem anderen ereilt. Wie ein Stehaufmännchen kämpft sich die Mutter durch den Alltag, der sie selbst auf einer verordneten Mutter-Kind-Kur an der Nordsee nie verläßt.

Filmszene: "Abgebrannt"

Filmszene: "Abgebrannt"

Abgebrannt“ hätte anhand des Handlungsverlaufes leicht eine Aneinanderreihung von Sozialklischees sein können. Doch die ruhige Erzählstruktur und das stetige Voranschreiten der Geschichte bewahrt den Film davor, zu einer Sozialschmonzette zu verkommen. Freytag zeigt glaubwürdige Charaktere und ein ehrliches Interesse an ihren Figuren (sie selbst hat auch das Drehbuch verfasst), ohne dabei unnötig moralisierend und politisch zu sein. „Abgebrannt“ zeigt einen Prozess, der folgerichtig nicht abgeschlossen ist. Die Auszeichnung als „Bester Spielfilm“ ist in diesem Sinn fast schon konsequent, passt sie doch hervorragend zu der Eingangs beschriebenen Wesensart von achtung berlin.

Martin Daßinnies, Denis Demmerle

Die Gewinner in der Übersicht.

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