Retrospektive: Costa Gavras im Babylon Mitte


Filmszene: "Z"

Filmszene: "Z"

Dumpfheit der Schlaflosigkeit

Sicher, man kann regieren, ohne sich zu fragen, warum man regiert. Das wird nicht selten der Fall sein. Wenn dieser Fall jedoch zu etwas Offensichtlichem wird, passiert es, dass Vergangenheit, Gesetz, Staat fast wie von selbst und ohne Arbeit in ein Nichts versinken. Nehmen wir an, dass der politische Thriller in dem Augenblick beginnt, wo die Politik Rätsel aufgibt. Dieses Rätsel ist nicht mit dem Argwohn einer Opposition zu verwechseln, sondern es bestätigt sich vielmehr, dass rosafarbene Versprechen in blutgetränkter Erde enden. Gleichzeitig ist es der Moment, wo Geschichte als eigene Geschichte und die eigene Freiheit als allgemeine Freiheit erfahrbar wird.

Diese Finsternis der Existenz findet in den Bildern von Costa Gavras eine Zuflucht. Einer seiner bekanntesten Zufluchtsorte dürfte der Film „Z“ sein, welcher 1969 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film gratifiziert wurde. Das Babylon Mitte zeigt vom 4. bis 13. Mai eine Retrospektive dieses genrebildenden Regisseur des politischen Thrillers an. Seine Filme beginnen dort wo Zivilisation endet. Wenn er die unschuldig Ermordeten zu Wort kommen lässt, stürzt er sich dabei gegen ein Grabmal, dass mit operettenhaften Uniformen und lächerlichen Paraden ausstaffiert ist, und es ist diese Totenstille, die den Wahrheitsgehalt der zu Wort gekommenen verbürgt. Dadurch wird die Trinität einer jeden Diktatur verdeutlicht: die wahre Leere, die Ware Leere und die leere Wahrheit.

Constantin Costa Gavras wurde am 12. Februar 1933 als Sohn eines mittleren Regierungsbeamten und einer christlich-orthodoxen Russin in Loutra Iraias in Griechenland geboren. Den Vater verdächtigte man, ein kommunistischer Spion zu sein und so wird ihm nicht nur das Studium an einer griechischen Universität verweigert, sondern auch ein Visum für die USA, wohin es den jungen Costa Gavras zieht. Diese Erfahrungen justierten seinen Gerechtigkeitskompass und es ist wohl dieser präzise Kompass, der die Obertonkomposition seiner Werke gelungen austaxierte. Nach einigen Jahren als Balletttänzer gelingt es ihm schließlich, mit 18 Jahren ein Studium der Literatur an der Pariser Sorbonne zu beginnen und Griechenland zu verlassen. Anschließend beginnt er sein Studium an der Pariser Filmhochschule IDHEC. Seine erste Regieassistenz leistet er unter der Aufsicht von René Clement bei dem Film „Der Tag und die Stunde„.

Clement half ihm im Vermitteln von filmischen Techniken, um so soziale Ungerechtigkeiten aufzuzeigen. Außerdem war es Clement, der ihm verdeutlichte, die mit unter reißerischen Stoffe in ein Sein, daher in eine sagbare und in sich logische Wahrheit und damit in einen spannenden Film zu führen. Weitere Erfahrungen sammelte Costa Gavras bei Jaques Demy und Yves Allégret. Nun hieß es warten. Warten auf ein geeignetes Sujet. Seine sozialpolitischen Neigungen mussten ebenso tangiert werden, wie sein Spannungskonzept aus bräsiger Komik und sentimentaler Grausamkeit. Es war nicht das erste Mal, dass die Literatur das Schaffen eines Filmes befruchtete, aber Constantin Gavras ließ seine beiden Studiengänge annährend gleichberechtigt in seine Arbeit einfließen.

Im Jahre 1962 debütierte ein gewisser Sébastien Japrisot mit seinem Buch „Mord im Fahrpreis inbegriffen„. Die Ausgangssituation ist ein typischer Whodunit mit überdeutlichem, also ironischem Verweis auf Agatha Christie. Die Geschichte beginnt in der Mitte der eigentlichen Handlung und gleichzeitig schlägt sich die eine Hälfte der Dramaturgie in Richtung Vergangenheit, während die andere zukünftige Morde untersucht. Monsieur Japrisot erhielt dafür den „Grand prix de litterature policière „. Drei Jahre später machte sich Costa Gavras in Zusammenarbeit mit Simone Signoret,  Yves Montand und Jorge Semprun daran, dieses Buch zu verfilmen. Er wurde für den „Edgar Allen Poe Award“ nominiert und gewann 1967 in der Kategorie „Bester Fremdsprachiger Film“ den „National Board of Review Award“.

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