Retrospektive: Costa Gavras im Babylon Mitte


Filmszene: "Die Liebe einer Frau"

Filmszene: "Die Liebe einer Frau"

Sein nächster Film „Z“ verhalf ihm dann entgültig zum Durchbruch. Wie Eingangs bereits erwähnt, stellt er Gavras´ populärsten Film dar. Obwohl wie in all seinen Filmen die geographische Verortung in der Schwebe bleibt, da Machtmissbrauch tragischerweiser zeitlos ist, basiert auch dieser Film nicht nur auf einem politisch motivierten Roman, sondern auch auf realen Ereignissen. Bei einer Anti-Atomkraft-Veranstaltung in Athen im Jahre 1963 wird ein Universitätsprofessor ermordet. Dabei sollte die Polizei den prominenten Gast eigentlich schützen. Es wird als tragischer Unfall deklariert, jedoch zweifelt ein Rechtsanwalt an dem Wahrheitsgehalt dieser Darstellung. So gelingt es ihm schließlich, die Schuldigen innerhalb der Polizei zu verorten. Sie entkommen ihm durch vorzeitige Pensionierung und man ahnt es bereits, der Rechtsanwalt wird am Ende des Filmes sterben. Die Schuldigen kommen durch einen Putsch erneut an die Macht. In den Geschichtsbüchern findet man dieses Kapitel unter dem Schlagwort Obristenputsch. Seine Ursachen gehen zurück bis in den zweiten Weltkrieg, als die ideologischen Gegensätze der griechischen Widerstandskämpfer komplett auseinander drifteten. So hatte man zwei Widerstandsorganisationen: die ELAS auf der linken Seite, die EDES auf der rechten. Damit stand das Widerstandsbemühen nicht nur unter einem schlechten Stern, sondern es sollte auch als harscher Gegensatz zur französischen Résistance begriffen werden, denn nach Ende des zweiten Weltkrieges verschärften sich paradoxerweise die Gegensätze nur noch und mündeten im Juni 1946 im griechischen Bürgerkrieg. Dieser sollte drei Jahre dauern und kostete fast 160.000 Menschen das Leben. Costa Gavras war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt.  In jeder Einstellung merkt man, dass „Z“ sein persönlichster Film ist.

Es verwundert nicht, dass er ein freundschaftliches Verhältnis zu seinem Lieblingsschauspieler Yves Montand pflegte. Beide kamen aus krisengeschüttelten, südeuropäischen Ländern (Gavras aus Griechenland, Montand aus Italien). Beide wurden in recht jungen Jahren mit dem Schrecken totalitärer Herrschaft konfrontiert und beide fanden in Frankreich eine neue Heimat. Der eine wurde Regisseur, der andere Schauspieler. Seine Wahlheimat Frankreich schlägt sich auch in den Filmen über Zweisamkeit nieder. So entstand 1979 „Die Liebe einer Frau“ mit seinem Stammschauspieler Yves Montand, Lila Kedrova und Romy Schneider. Zwei Liebende, 20 Jahre Altersunterschied, diametral verlaufende Biographien. Man kommt zusammen und liebt sich, doch Glück bleibt etwas Abstraktes.

Costa Gavras, Foto: Jean-Marie David

Costa Gavras, Foto: Jean-Marie David

Eine andere Form der Zweisamkeit, genauer ein Vater-Sohn-Verhältnis, verknüpft er 1981 mit seiner Leidenschaft fürs Politische in dem Film „Vermisst„. Jack Lennon als Vater, der nach Chile reist und seinen verschollenen Sohn sucht. Nebenbei wird ihm die Bedeutung der CIA für den chilenischen Militärputsch bewusst. Auch hier diente ein Buch als Vorlage: „The Execution of Charles Horman: An American Sacrifice“ von Thomas Hauser. Jack Lennon reicht am Ende des Filmes als sein Alter Ego Edmund Horman Klage gegen elf Regierungsbeamte ein, darunter Henry Kissinger. Diese cineastischen Prozesse als Verhängnis gewordene Tage, als Existenz ohne Sein, erreichen ihre einzigen Lichtblicke nicht durch die Helle der Aufgeklärtheit, sondern durch die Dumpfheit der Schlaflosigkeit, die pervertierte Bürokratie auslöst. Gavras ist ein Mann der inszeniert, aber in erster Linie beobachtet. Ein Wissender, der zurücktritt hinter dem, was er weiß und mitunter erschrickt man vor dem, was er wissen möchte.

Joris J.

Constantin Costa Gavras Retrospektive, Babylon Mitte, 4. bis 13. Mai, Programm unter www.babylonberlin.de

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