Interview mit “Gei Oni”-Regisseur Dan Wolman


Filmszene: "Gei Oni"

Filmszene: "Gei Oni"

Dazu fällt mir Ihr Kampf um Ihren neuen Film „Gei Oni“ ein, den Sie hier auf dem Festival vorgestellt haben. Für diesen Film haben Sie sich mit den „Tycoons“ wie Sie sie nennen, angelegt.
Ja, ich hatte große Probleme einen Filmverleih zu finden. Als ich „Gei Oni“ beendet hatte, für dessen Buch ich bereits zehn Jahre zuvor die Rechte am Roman gekauft hatte, zeigte ich den Film verschiedenen großen Verleihern. Doch keiner wollte den Film herausbringen. Sie sagten alle, dass der Film ihnen gefalle, dass er wichtig sei, sie ihn aber nicht verleihen könnten. Die Verleiher LEV SRATIM und Forum Films lehnten den Film also ab. Wobei Forum Films aber anbot, dass ich, falls ich einen anderen Verleiher fände, deren Kinos zu einem guten Preis nutzen könnte. Der dritte große Verleiher, United King, sagte dann schließlich zu und erklärte, dass sie den Film lieben und dass sie große Werbetafeln an den Autobahnen aufstellen und Werbungen in Zeitungen und Magazinen schalten wollten. Auf die Frage, wie viel Geld sie investieren würden, antworteten sie, so viel du willst. Am nächsten Tag schickten sie mir dann den Vertrag per Mail und der beinhaltete das komplette Gegenteil. Sie wollten selbst entscheiden, wie hoch das Budget sein sollte, um den Film zu bewerben. Außerdem wollten sie die volle Kontrolle über den Film für mindestens zehn Jahre in allen Medien, mit einer Zusatzoption für zwei weitere Jahre. Außerdem sagten sie, dass es wahrscheinlich schwierig sein würde, ein großes Publikum mit diesem Film zu erreichen. Das bedeutete für mich, dass ich nichts von meinem Film haben würde. Wir hatten dann eine große Diskussion in der Familie. Ich war eigentlich, obwohl natürlich enttäuscht über die Bedingungen, so doch bereit diesen Vertrag einzugehen, wegen der großartigen Werbung, die ich mir vorstellte, die mein Film bekommen würde. Doch meine Familie war dagegen und beschloss, dass meine Tochter die Webseite (www.geioni.com) zum Film bauen würde und ich nutzte natürlich Facebook und verschickte Kettenbriefe an Freunde, alte Freunde, die ich noch aus der Grundschule kannte. Ich schrieb: „Um meinen nicht Film zu verlieren, helft mir, dass ich meinen Film ins Kino bringe. Ich will ihn mit einer Art Guerilla-Taktik selbst verleihen. Helft mir, dem System die Stirn zu bieten.“ Ich bat sie, wenn ich meinen Film in die Kinos bringe, sich „Gei Oni“ gleich in den ersten zwei Wochen anzusehen. Denn andernfalls würde er sehr schnell wieder aus den Kinos herausfliegen. Mein Kettenbrief endete mit den Worten: „Weg mit den Tycoons“. Die Filmwebseite kollabierte daraufhin dreimal und ich musste sie erweitern, damit mehr Menschen gleichzeitig Zugriff haben konnten.

Kann ich mir vorstellen, dass die Leute sofort angesteckt waren. Das scheint ein Phänomen der Zeit zu sein. Die Menschen wollen sich nichts mehr gefallen lassen.
Die Menschen begannen, in dieser Aktion eine Rebellion zu sehen. Jemand nannte mich sogar einen modernen Robin Hood. Viele Leute wollten helfen. Da war zum Beispiel ein Doktor, der mir einen Scheck über ca. 1200 Dollar schickte, um mich zu unterstützen. Er wollte nicht, dass ich irgendwelche Risiken eingehe oder gar mein eigenes Geld für alles ausgebe. Ich war sehr gerührt von seinem Brief, schickte ihm den Scheck aber wieder zurück, denn ich konnte das Geld nicht annehmen. Dann gab es da auch eine Frau in einem Rollstuhl, die mir umgerechnet ca. zehn Euro schickte, damit ich davon eine Kinokarte kaufen könnte. Sie selbst könne nicht gehen, da sie in einem Rollstuhl säße. Sie wolle mich aber sehr gern unterstützen. Das war auch sehr berührend. Dann rief mich die Herausgeberin vom Magazin „Another Land“ an, das ist so eine Art israelisches „National Geographic“ Magazin. Sie bot mir eine komplette Seite in dem Heft an, um meinen Film zu bewerben. Das war unglaublich, wie viele Menschen helfen wollten. Schließlich ging ich zu dem Verleiher, der mir angeboten hatte, ich könne seine Kinos zu einem günstigen Preis bekommen. Ich bezahlte für drei 35 mm Kopien, also ungefähr drei 3000 bis 4000 Euro. Zwei anderen Kinos gab ich eine Beta Digital Kopie. Der Film lief also in fünf Städten und bekam gute Kritiken und plötzlich war es sogar schwierig, noch Karten zu bekommen. Drei Monate lief das so und nach 30 Jahren sehe ich jetzt zum ersten Mal auch wieder Geld. Es ist nicht viel, aber es kommt etwas zurück. Das liegt daran, dass ich fast keine Ausgaben hatte. Ich musste einfach nur die Kopien bezahlen. Wenn man seine Filme nicht nur selbst produziert, sondern auch noch den Vertrieb übernimmt, ist das wirklich der letzte Schritt in die Unabhängigkeit. In diesem Fall war das eine sehr schöne Erfahrung.

Dementgegen steht ihre Karriere als Filmemacher für sehr kommerzielle Filme, wie „Eis am Stiel“ zum Beispiel. Was ist ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen Filmen, die …
Zuallererst: Ich nehme mich selbst nicht zu ernst. Ich mag es, den Worten Leben zu geben. Wenn Sie mir vorschlagen würden: „Dan, wir fahren jetzt auf die Philippinen und drehen dort einen Horrorstreifen.“ Dann würde ich sagen: Okay, lass uns los.  Mich interessiert die Welt und ich würde sie gern so zeigen, wie ich sie sehe. Manchmal, wenn ich Western oder irgendwelche Filme sehe, dann sage ich mir: Oh, das hätte ich aber besser gemacht. Ich fühle mich zu Dingen hingezogen, die ich noch nicht kenne. In der Imdb sagen sie über meinen Film „Baby Love„: „Besser als das Original“. Es ist natürlich immer auch eine Art Training gewesen, um gewissermaßen meinen Pinselstrich zu verbessern. Man möchte etwas lernen. Am Anfang meiner Karriere wusste ich nie, wohin ich die Kamera stellen soll. Heute dagegen weiß ich es immer ganz sicher. Da denke ich gar nicht mehr viel darüber nach. Man will also etwas lernen und Erfahrungen machen. Deshalb war „Eis am Stiel“ so eine Art Schule. Ich muss aber auch sagen, dass ich kein bestimmter Typ von Regisseur bin. Ich musste erst viele Dinge überwinden, bevor ich da ankam, wo ich heute stehe. Dafür schäme ich mich auch nicht. Und um noch einmal auf die Zuschauer zu kommen. Ja, viele meiner Filme werden nur von einer kleinen Anzahl Zuschauer gesehen. Aber ich denke, auch sie verdienen einen guten Film. Ich mache also kleine Filme, die vielleicht nur fünf Prozent der normalen Kinogänger zu sehen bekommen, die aber, glaube ich, interessant sind.

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