Interview mit “Gei Oni”-Regisseur Dan Wolman
Hatten Sie eigentlich schon als Kind eine Kamera?
Nein, aber es gibt eine interessante Geschichte. Meine Großmutter hatte damals in den 20er Jahren in Berlin schon eine Amateurkamera. Ich fragte meine Mutter deshalb einmal, ob sie denkt, dass das Filmemachen etwas Genetisches in der Familie sei, da meine Großmutter schon filmte, wenn auch nur als Hobbyfilmerin. Die Kamera gab es aber nicht mehr in unserer Familie, als ich aufwuchs. Ich erinnere mich, dass ich den ersten Videorekorder erst 1955 sah, als ich in der High School war. Erst in den 60er Jahren konnte man eine Super-8 Kamera haben. Damals kosteten allein 3 Minuten Film noch sehr viel Geld. Erst in der Filmschule hatte ich dann die Chance eine Kamera zu halten, da habe ich dann auch meinen ersten Film gedreht.
Hatten Sie damals ein besonderes Ziel als Filmemacher?
Ich denke, das hatte auch immer etwas mit meinem Unterbewusstsein zu tun. Es ist sicher nicht so, das man darüber direkt nachdenkt oder sich das mit den Fragen vergegenwärtigt. Es ist Leidenschaft und Liebe und der Wille, eine Geschichte mit diesem Medium zu erzählen. Es hatte aber auch etwas Psychologisches. Man will Menschen verstehen. Ich denke, ich habe mich seit damals nicht verändert. Ich wollte immer eine Geschichte erzählen. Aber man könnte vielleicht in meinem Fall auch von Filmtherapie sprechen. Es war vielleicht eine Art Therapie, um dieses Gift aus meinen Innern loszuwerden.
Sie meinen ihre Erlebnisse in ihrer Kindheit, wie den Missbrauch durch eine Kinderfrau, den Sie in Ihrem Film „Ben’s Biography“ verarbeiten?
Ja, viele Geschichten sind sehr persönlich und sie berühren sehr stark mein Leben. Da sind viele Filme, in die auch viele persönliche Geschichten aus meiner Familie mit einflossen. Ich habe aber auch Romane verfilmt, also Bücher, die nicht direkt mit meinem Leben zu tun hatten. Aber auch dort berührte es immer wieder meine persönliche Geschichte.
Ihr allererster Spielfilm „The Dreamer“ (1970) wurde direkt von Cannes als Official Entry ausgewählt. Auch Ihr zweiter Film „The Floch“ (1972) wurde von einem wichtigen Festival, von Venedig, als offizieller Wettbewerbsbeitrag ausgesucht. Wie hat das Ihr Filmschaffen beeinflusst?
Das ist sehr interessant, denn zu der Zeit kannte mich eigentlich niemand in Israel. Ich hatte ja in Amerika studiert. Als in Tel Aviv die Leute den Film sehen konnten, haben sie sehr stark auf den Film reagiert. Die Leute mochten den Film nicht. Zu der Zeit war es übrigens noch üblich, seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Die Zuschauer stießen sich an der Geschichte und rollten aus Protest ihre leeren Flaschen aus den Hinterreihen bis zur Vorderreihe herunter. Sie waren verärgert, denn das Kino zeigte normalerweise andere Filme, leichtere Arbeiten. Ein Kritiker schrieb über mich, ich sein kein Israeli. Naja, im Film geht es um einen bizarren jungen Mann, der nicht zur Armee geht und wie ein alter Mann ist. Als „The Dreamer“ dann von Cannes ausgewählt wurde, ging das so weiter. Ich habe wirklich gemischte Gefühle, wenn ich an die Zeit zurückdenke. Aber als mein Film dann in New York gezeigt wurde, lief es großartig und der Film bekam sehr gute Kritiken auch in der New York Times.
Was war mit dieser Rezension in der New York Times?
Dieser Mann in meinem Film war eine Reflektion von mir. Er arbeitet als Pfleger in einem Seniorenheim und hat eine besondere Beziehung zu einer älteren Frau entwickelt. Sie trinken zusammen Tee und er begleitet sie beim Einkauf. Sie sieht in ihm eine Art Sohn und er so eine Art Mutter. Das ganze spielt in Saffa, einer antiken Kabbala Stadt. Dann taucht eine junge Frau auf, die sich in den jungen Mann verliebt. Die ältere Frau wird daraufhin eifersüchtig und das führt zu einem inneren Konflikt des jungen Mannes. Er muss entscheiden, ob er sich dem modernen Tel Aviv zuwendet und eine Familie gründet. Oder ob er sich mit der alten Macht, der Kabbala und dem antiken Saffa, den Traditionen zuwendet. Ich erinnere mich, dass Vincent Canby, der über „The Dreamer“ schrieb, die Überwältigung Elis durch die alten Seelen einen Horroreffekt entdeckte, den ich selbst so noch gar nicht gesehen hatte. Und mich rührte, wie er zum Schluss schrieb, dass die Dinge, die manchmal simpel aussehen, in Wirklichkeit sehr kompliziert sind und wir das häufig vergessen.
…wie ist Ihr Verhältnis zur Filmkritik?
Cassavettes sagte: „Es gibt schlechte Kritiker und Kritiker, die mich mögen.“ Der Kritiker hat diese Art Macht über uns Filmemacher. Er hat Macht mit seinem Wort. Und damit beeinflusst er die Filme im Positiven wie im Negativen. Für einen Künstler ist das manchmal schwierig zu ertragen. Das ist wie in dem Grimm Märchen „Die sieben Raben„. Die Tochter ist der Künstler, der, obwohl er so viele Opfer bringen muss und fast dabei umkommt, versucht zu überleben. Diese Geschichte gibt mir sehr viel Kraft. In unserem Leben machen wir, was wir machen müssen und gehen weiter, auch wenn ein Kritiker uns mal nicht so wohl gesonnen ist.