Interview mit “Gei Oni”-Regisseur Dan Wolman
Der israelische Autorenfilmer Dan Wolman hat für seinen aktuellen Film „Gei Oni“ den „Gerhard Klein Filmpreis“ des Jüdischen Filmfestivals Berlin und Potsdam erhalten. Der 1941 in Jerusalem geborene Sohn einer aus Berlin stammenden Laborantin und eines Warschauer Pathologen verbrachte seine frühe Kindheit in Äthiopien. Der hypersensitive Junge, wie sich Dan Wolman beschreibt, wuchs in einem gefühlskalten und strengen Elternhaus auf und litt unter der fehlenden elterlichen Nähe, mit der man zu jener Zeit noch seine Kinder erzog. In den 60er Jahren ging er nach New York, um Film zu studieren und drehte anschließend seine ersten international beachteten Spielfilme „The Dreamer“ und „The Floch„. Viele seiner Filme sind sensible Menschenportraits und Familiengeschichten, die oft sehr persönliche Geschichten einschließen. Für seinen neuen Film „Gei Oni“ legte sich der mittlerweile 70-Jährige mit den großen israelischen Verleihern an. Warum, erklärt er im Interview.
Erinnern Sie sich noch, was sie motiviert hat Filmmacher zu werden?
Da muss ich automatisch gleich an Ingmar Bergman und seine Geschichte denken, dass sein Großvater immer für ihn Schattentheater spielte, was ihn beeinflusste, später zum Film zu gehen. Ich glaube bei mir war das, als ich den Film von Vittoria de Sica „Das Wunder von Mailand“ sah. Ich sah ihn im Edison Cinema in Jerusalem. Mich beeindruckte der Film so sehr, dass ich für drei Tage erstmal nicht mehr sprechen konnte. Eigentlich widersprach die Rolle des Filmemachers meinem Naturell. Ich war sehr schüchtern und die letzte Person, die gewusst hätte, wie man mit all den Menschen am Set umzugehen hat. Aber, ich muss es mal von einem anderen Ende her erzählen, das dauert jetzt ein bisschen.
Sie haben alle Zeit der Welt….
Als ich mit 15 Jahren bei den Pfadfindern war, eine Menge Kinder waren damals bei den Pfadfindern, waren mir als Scout zehn Kinder zugeteilt, die zwischen neun und zehn Jahre alt waren. Es hat mir immer große Freude gemacht, ihnen Kurzgeschichten zu erzählen. Wir trafen uns immer mittwochs und sonnabends. Wir gingen dann immer auf ein Feld und ich erklärte ihnen zum Beispiel, wie man einen Knoten machte oder wie man einen Unterschlupf baute. Danach erzählte ich immer eine Kurzgeschichte. Ich begann mit Edgar Allen Poe, Henry James, Guy de Maupassant und Tschechov. Doch irgendwann gingen mir die Geschichten aus. So fingen wir an, uns selbst Geschichten auszudenken. Die Kinder gaben mir einen Satz oder etwas vor und ich machte daraus eine Geschichte. Unter den Kindern waren auch zwei Blinde. Ich musste mir also auch alle möglichen Geräusche dazu machen. Das war meine Welt. Mit „Das Wunder von Mailand“ und den Tagen als Gruppenleiter der Pfadfinder wurde alles geboren.
Sie begannen also als Geschichtenerzähler und sind es heute noch, denn in ihren Filmen steht immer die Geschichte im Vordergrund.
Ja, genau. Das dauert bis heute an. Ich habe mich nicht verändert, das ist die Art, wie ich Filme sehe.
Was machte de Sicas Film damals für Sie so faszinierend?
Da war irgendetwas total Neues. Ich kann das nicht so genau beschreiben. Sie kennen sicher das Gefühl, wenn man ein neues Land bereist und plötzlich mit dem ganz Fremden mit dem Neuen konfrontiert wird…
Sie meinen das Gefühl, wenn man alles so viel intensiver wahrnimmt?
Nicht nur das. Es ist wirklich einfach dieses total Neue. Es war die Musik, die Sprache der Bilder, der Humor. Man kann eine Menge mit diesem Medium machen. Der Film spielte mit der Imagination und hatte unglaubliche Ideen. Da waren diese beiden Männer, von denen der eine schwarz war. Er wünschte sich so sehr, weiß zu werden, dass es passierte. Es war einfach ein magischer Film. Das Drehbuch war fantastisch und die Ideen waren einfach unbeschreiblich.