Fantasy Filmfest: Interview mit Leiter Rainer Stefan


Festivalgründer Rainer Stefan

Festivalgründer Rainer Stefan

In diesem Jahr wird ein kleines Jubiläum gefeiert. Das Fantasy Filmfest wird mit seiner Eröffnung am 16. August in Berlin zum 25. Mal tief in die Bilderwelten des Fantastischen eintauchen. Wir haben uns mit Gründer und Festivalleiter Rainer Stefan über die diesjährigen Ausgabe unterhalten und darüber, ob man nach so einer langen Zeit im Horrorgeschäft überhaupt noch so etwas wie Angst im Kinosessel verspürt.

25 Jahre Fantasy Filmfest, gab es spezielle Ansprüche für diese Ausgabe?
Natürlich, wir wollten es noch besser machen. Letztlich ist es aber nur eine Zahl. Wir haben lange überlegt, ob wir eine Retrospektive machen.  Es wurden aber immer mehr Filme und so mussten wir unsere Planung dahingehend bremsen. Wir haben diesmal viele neue Länder mit sehr unterschiedlichen Filmen dabei, darunter einen Splatterfilm aus Israel.

In diesem Jahr haben es drei deutsche Filme ins Programm geschafft. Im letzten Jahr äußerten Sie mit den Worten „Deutsche Horrorfilme sind meist peinlich“ noch deutliche Skepsis.
Das ist in diesem Jahr anders. „Hell„, von Tim Fehlbaum, ist ein großartiger Film. Und auch „Urban Explorer“ macht großen Spaß. Bei „Hell“ ist es die Kombination. Thomas Woebke, einer der Drehbuchautoren, ist sehr genreaffin. Das gleich gilt für den Regisseur Tim Fehlbaum. „Hell“ sieht man an, dass das Fernsehen nicht vorgegeben hat, wie der Film auszusehen hat. Er ist schmutzig, wild fotografiert und hat so überhaupt nichts von dem typisch deutschen Look. Ich wundere mich selbst immer, dass es, außer dem Tatort, keine deutschen Thriller gibt. Vieles was produziert wird, entsteht in Zusammenarbeit mit dem Fernsehen. Das bedeutet, es muss auch so aussehen. Der Film darf nicht zu dunkel sein, dann wechseln die Zuschauer womöglich auf einen anderen Kanal. Er darf nicht zu viel Gewalt enthalten, weil die Filme zwischen 20 und 21 Uhr gezeigt werden. In Frankreich ist das anders. Da schert sich keiner drum, ob die Filme härter sind oder thematisch für eine breite Zielgruppe funktionieren.

Frankreich hat sich in den letzten Jahren als Filmland für ultraharte Horrorfilme etabliert …
Aber auch für gute Thriller. In diesem Jahr haben wir mit „Point Blank„, „The Prey“ und „Largo Winch II“ sehr gute Filme im Programm. Frankreich macht auch sehr gute Actionfilme, wie schon in den 60er und 70er Jahren. Die können es einfach.

Dagegen gibt es diesmal wenig asiatisches Kino zu sehen.
Das hat sich rein zufällig ergeben. Wir haben keine feste Quote. Es gab Jahre, da hatten wir fast schon zu viele asiatische Filme im Programm. Das wird nächstes Jahr sicher wieder ganz anders.

Sie dürfen die Skandinavier nicht vergessen …
Stimmt. Da kommt regelmäßig etwas. Dort sind selbst Filme, die fürs Fernsehen produziert werden, gut, dunkel und oft von härterer Gangart. Ich bin kein Freund von ultraharten Filmen, aber ich hasse es, wenn man einem Film ansieht, dass er auf ein bestimmtes Schema zugeschnitten ist.

Filmszene: "Hell"

Filmszene: "Hell"

Was erschreckt Sie überhaupt noch im Kinosaal? Stumpft man mit der Zeit nicht ab?
Bei „Insidious“ zum Beispiel bin ich ein paar Mal richtig zusammengezuckt. Ich reagiere sehr auf klassische Schockeffekte und auf reale Dramen. „The Assault“ , auch im diesjährigen Programm, hat mich sehr mitgenommen. Bei „Eden Lake„, den ich vor drei Jahren in Cannes gesehen habe, bin ich aus dem Kino gekommen und mir wurde richtig übel, weil ich mich so mit den Figuren identifizieren konnte. Im Grunde wäre ich am liebsten schon während der Vorstellung rausgegangen. Aber umso mehr Tage vergangen sind, umso besser fand ich den Film und er hat schließlich unser Festival eröffnet. Es gibt viele solcher Filme, die mich auf die eine oder andere Weise mitnehmen. Abgestumpft bin ich also keineswegs. In meiner Freizeit gucke ich sowieso eher Western oder alte Filme von Roger Corman.

Wie haben sie sich über die lange Zeit als Festivaldirektor die Faszination am Fantasy- und Horrorgenre bewahrt?
Ich interessiere mich für das Kino. Das ist mein Hobby. Es war ursprünglich gar nicht geplant, dass ich mal vom Festival leben würde. Es war und ist meine private Leidenschaft, daran hat sich nichts geändert. Merkwürdigerweise gucke ich nie Fernsehen. Zweimal im Jahr schaue ich den Tatort. Ansonsten nichts. Je mehr Filme man im Laufe eines Lebens guckt, umso schneller sieht man auch, ob ein Film gut oder schlecht ist. Wenn ich auf einem Filmmarkt einen Filme sehe, weiß ich schon nach fünf Minuten, ob er etwas taugt.

Gerade beim Horrorfilm gibt es da sicherlich einige Filme …
Weil viele Filme auf das schnelle Geld und Home Entertainment hin produziert werden.

Wie viele Filme sehen sie pro Jahr, die fürs Fantasy Filmfest in Frage kommen?
Unser Team guckt definitiv über tausend Filme pro Jahr. Es wird unglaublich viel auch direkt zu uns geschickt. Das wird vorsortiert und 95 Prozent davon landen gleich in unserer Giftkiste. Das meiste entdecken wird auf Märkten oder über die Verleger.

Wann wurde das Fantasy Filmfest nicht mehr nur als eine reine Fanveranstaltung sondern als wohl kurratiertes Festival wahrgenommen?
Das war bereits Anfang der 90er Jahre, als wir Filme wie „Delicatessen“ oder „Twin Peaks“ gezeigt haben. Wir haben zunehmend mehr Arthousefilme gezeigt, damit wurde das Publikum breiter. Die ersten Jahre war unser Festival eine reine Männerveranstaltung, das hat sich mit der Öffnung hin zum Arthouse verändert. Horror und Arthouse kann man nicht voneinander trennen. Es gibt viele Horrorfilmregisseure, die sehr ambitioniert arbeiten. Ein gutes Beispiel der beginnenden 90er Jahre ist Philip Ridleys „The Reflecting Skin„, er bedient beides.

1 2