Festivalbericht: 21. Filmfestival Cottbus

Stadt mit Linie


21. Filmfestival Cottbus, Foto: Sara Strobl

21. Filmfestival Cottbus, Foto: Sara Strobl

Cottbus, eine auf den ersten Blick etwas unscheinbare Stadt an der polnischen Grenze, ist nachts ziemlich dunkel. Es gibt kaum Straßenbeleuchtung. Dennoch ist der blaue Filmstreifen, der sich für die kommenden Tage durch die Innenstadt schlängeln wird, auch in der Dämmerung gut erkennbar. Ein Wegweiser, unter anderem ins neu eröffnete Nostalgie-Kino Weltspiegel (zweitältestes Kino Deutschlands), das trotz einer gewissen Überdimensionalität an nicht wenigen Tagen bis auf den letzten Platz ausverkauft ist.  Dass man den Cottbussern Vertrauen entgegenbringt, obgleich nächtlicher Finsternis, beweist sowohl  der spärliche Einsatz von Straßenampeln, als auch die Tatsache, dass das Filmfestival im letzten Jahr zwanzigstes Jubiläum feierte. Man freut sich über die groß aufgezogene Veranstaltung, im Publikum sitzen Schulklassen neben Rentnern, wie selbstverständlich wird zwischen drei Sprachen changiert, niemand verlässt den Saal während der Filmvorführung. Details, die das Festival zu einer herzlichen Angelegenheit machen und dazu führen, dass man die Stadt mehr und mehr mit anderen Augen sieht. Ein wenig trostlos, ja, aber an jeder Ecke steht ein Prachtbau im Dornröschenschlaf.

Vielleicht aber erscheint Cottbus vom 1. bis 6. November auch wärmer als an den restlichen Tagen des Jahres. Das mag zum einen an der internationalen Atmosphäre liegen, zum anderen aber ganz sicher am kontrastierenden Filmprogramm. Denn das ist, man kann es nicht anders sagen, sehr düster geraten. Es gibt nicht wenige Beiträge, die wie Stöße in die Magengrube sind, die einem die Luft abschnüren und Lust auf Schnaps machen, um den nächsten Film irgendwie überstehen zu können. Bereits der Eröffnungsfilm „Die Mühle und das Kreuz“ (Lech Majewski, Polen/Schweden 2011) verlangt den Zuschauern einiges ab: In Slow-Motion eröffnet Majewski die innere Dimension des flämischen Meisterwerks „Die Kreuztragung Christi“ von Peter Bruegel aus dem Jahr 1564. Statische Figuren, virtuos inszeniert, jedes Bild ein vollkommener Filmstill. Ein sorgsam ausgewählter Eröffnungsfilm, kündigt er doch das vorherrschende Tempo der folgenden Festivalfilme an – langsame, gezogene Einstellungen, die Zeit lassen, um das Bild von links nach rechts zu betrachten und Kleinigkeiten aufzunehmen, die sonst leicht übersehen werden. Ein Verfahren, das auf Schnelligkeit bedachte Sehgewohnheiten ignoriert.

1 2 3 4