Berlinale Forum
Beziehungsformeln auf dem Prüfstand
Partnerschaften, die ein Leben lang andauern, sind heutzutage echte Mangelware. Die Gründe hierfür sind vielfältig, reichen sie doch von einem zunehmenden Trend gen Individualisierung über das Ende vom Abhängigkeitsverhältnis zwischen Frauen und Männern bis hin zur Enttabuisierung von Trennung und Scheidung. Das Resultat ist, dass viele Menschen mehrere, immer wieder scheiternde Beziehungen eingehen, die im ungünstigsten Fall nicht mal an das Mindesthaltbarkeitsdatum einer Konservendose heranreichen. Daher verwundert es auch nicht, dass neben unzähligen literarischen Ratgebern zum Thema glückliche Liebesbeziehungen sich natürlich auch Filme mehr und mehr damit beschäftigen – so geschehen beim aktuell laufenden Berlinale-Forum.
Während viele Probleme durch intensive Bearbeitung überwunden werden können, zählt häusliche Gewalt sicherlich weniger dazu. Das hat auch die Figur Magdalena im Film „Spanien“ von Anja Salomonowitz erkannt, weshalb sie ihre Ehe mit dem Ordnungsbeamten Albert gleich zu Beginn des Films beendet. Albert, der schon aus Berufsgründen einer Kontrollsucht verfallen ist, stellt Magdalena nach der Trennung immer wieder nach, durchsucht ihre Wohnung, lauert ihr auf und bedroht sie. Doch auf die quälende Frage, warum er ihr nicht das geben kann, was sie braucht, findet er keine Antwort. Neben der Tatsache, dass wohl jede Frau die Flucht ergreift, wenn sie von ihrem Mann mit kochendheißem Wasser verbrüht und entstellt wird, versteht Albert nicht, dass es Freiheit ist, die Magdalena sucht. Und die findet sie nun praktisch überall, nur nicht bei ihm. Dass Beziehungen sich niemals durch Anwendung von Gewalt reparieren lassen, scheint auch der Protagonist aus „Everybody in Our Family“ („Toată lumea din familia noastră„) nicht begriffen zu haben. Alles fängt ganz harmlos an, als Marius seine kleine Tochter Sophia bei seiner Exfrau Ottilia abholen will, um mit ihr in die Ferien zu fahren. Als sich Ottilia allerdings querstellt, weil die Kleine krank ist, artet das Szenario völlig aus und entwickelt sich zu einem Familien- oder auch Geiseldrama. Hier wechseln sich Hass- und Liebesbekundungen im Minutentakt ab und man fragt sich unweigerlich, was zwischen diesen beiden Menschen geschehen ist, die einmal ein Kind in die Welt gesetzt haben und nun ist nichts weiter übrig als Gewalt, Verzweiflung und Beschimpfungen im bösartigsten Jargon.
Unbedingt glücklich läuft es für Nina und Ben in „Formentera“ von Ann-Kristin Reyels auch nicht. Ihr gemeinsamer Urlaub bei Freunden auf den Balearen dient zwar als Rettungsversuch ihrer Beziehung, allerdings treten hier in liberaler Hippieatmosphäre die Probleme erst richtig in den Vordergrund und viele unterschiedliche Erwartungen kommen plötzlich auf den Tisch. Nina ist zufrieden mit ihrem Leben in Berlin, aber Ben will sich lieber auf Formentera selbstständig machen. Außerdem macht ihm die freizügige Strandmasseurin Mara schöne Augen und Ben scheint nur schwer widerstehen zu können. Zum Eklat kommt es schließlich, als Mara spurlos verschwindet und Ben seine Freundin sogar des Mordes verdächtigt. Es sei soviel verraten, dass die Überwindung von Problemen mittels konstruktiver Kommunikation in „Formentera“ eher hinten ansteht und dass dies den Film in Verbindung mit der zum Teil unterirdischen Schauspielleistung – sagen wir mal – gewöhnungsbedürftig anmuten lässt.
Aber kann man seine Beziehung vielleicht auch bis zum Exitus dialogisch auseinanderdröseln? Paartherapien sind in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden und daher auch zentraler Gegenstand von Calle Overwegs Mockumentary „Beziehungsweisen“ („Negotiating Love„). Drei verschiedene Paare führen ihr jeweils individuelles Problem in einer Art Theaterkulisse vor und nehmen zwischendurch immer wieder Platz gegenüber echten (!) Beziehungstherapeuten. Zwischen Herrmann und seiner Freundin kriselt es, weil Dorothea sich in einen Arbeitskollegen verliebt hat; Amelie ist schwanger von Heiko, der hat allerdings mit Verantwortung und Treue ein großes Problem und bei dem ältesten Paar Eva und Siegfried ist schon seit Jahren das Schlafzimmer eiskalt. Während in manchen Sitzungen die streitenden Paare durchaus ernst zunehmende Ratschläge und Hilfestellungen bekommen, ernten beispielsweise Herrmann und Dorothea zumeist aber nur verständnisvolles Nicken von einer sichtlich überforderten Therapeutin.