Berlinale Forum

Beziehungsformeln auf dem Prüfstand


Filmszene: "Bezieungsweisen", Foto: Calle-Orweg-Filmproduktion

Filmszene: "Bezieungsweisen", Foto: Calle-Orweg-Filmproduktion

Beziehungsweisen“ ist zwar fiktional, beschreibt jedoch sehr authentisch, dass Paarprobleme sich nicht über Nacht lösen lassen oder manche Konflikte sogar, so schmerzlich das auch klingen mag, für immer ungelöst bleiben. Die vermutlich unbeabsichtigte Botschaft des Films ist aber, dass ein Beziehungstherapeut sorgsam ausgewählt werden sollte, sofern man sein Geld nicht mitsamt seiner Partnerschaft zum Fenster rauswerfen will.
Für Unverständnis, Irritation aber auch viele Lacher seitens des Publikums sorgte schließlich gestern die Weltpremiere von „What is Love„. Ruth Maders Dokumentarfilm fokussiert fünf verschiedene Beziehungstypen, in denen neben dem Standard-Familienmodell ebenso ein Geistlicher oder eine Singlefrau porträtiert werden. Während letztere scheinbar das frische Babyglück ihrer Schwester beneidet, macht „What is Love“ aber genauso deutlich, dass es auch in langjährigen Beziehungen immer wieder zu Konfrontationen kommt und dass viele Eheleute sich eigene Strategien überlegen müssen, um damit fertig zu werden. In einem Fallbeispiel diskutiert das Paar relativ strukturlos über die gemeinsame Zeit mit der Familie, anderswo probieren es zwei Eheleute lieber mit „Aktivem Zuhören“, einer weit verbreiteten psychologischen Wunderformel.

Das Ergebnis ist ein sich vor Lachen ausschüttendes Publikum und ein Ehemann, der sich für seine Frau öfter mal im Anzug öffentlich zeigen sollte, nun aber sich völlig ihrem Willen unterwirft und wie ein Waschlappen dasteht. Bemerkenswert ist an „What is Love„, dass Mader kaum mit Dialoganweisungen arbeitete und die Protagonisten tatsächlich bereit waren, ihr Beziehungsleben ungeschönt und schnörkellos vor die Kamera zu bringen. Noch erstaunlicher sind allerdings so manche Wortbeiträge in der anschließenden Diskussion mit der Regisseurin. Während ein Zuschauer die Banalität des Films moniert, hört man aus einer anderen Ecke die empörte Anschuldigung: „Ich dachte, der Film würde zeigen, was Liebe ist, aber stattdessen zeigt er ja, was sie eben genau nicht ist!“ Hatten manche Zuschauer ernsthaft erwartet, dass „What is Love“ Paradebeispiele für glückliche Beziehungen liefert? Ruth Mader wollte, wie sie selbst sagt, „normale Menschen“ zeigen und das schließt nun mal Probleme mit ein, auch wenn es offensichtlich den Kinderglauben mancher Zuschauer untergräbt. Kurt Tucholsky hatte schon Recht, als er mit seinen Zeilen „Es wird nach einem Happy End im Film jewöhnlich abjeblendt“ die beliebte Schlussstrategie vieler Hollywood-Romanzen in Frage stellte. Und ähnlich lautet wohl auch der Konsens der Beziehungsfilme des diesjährigen Berlinale-Forums: Eine Patentlösung gibt es nicht. Wirklich nicht.

Alina Impe

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